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Neue Urteile zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen - Natur und Recht

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Neue Urteile zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen
Neue Urteile zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen
Foto: Pixabay
(16.5.2014) Die Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht bei  Bäumen hat der Bundesgerichtshof in seinem grundlegenden Urteil vom 21.01.1965 (NJW 1965, 815 und VersR 1965, 475) festgelegt.

Dieses Urteil  ist richtungsweisend für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume und wurde im Laufe der Jahre durch unzählige weitere Gerichtsentscheidungen konkretisiert. Viele dieser Urteile bis hin zu ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen basieren auf der VTA-Methode, die mehr als jede andere Methode der Baumkontrolle Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat.  

Auf dem 20. VTA-Spezialseminar "Messen und Beurteilen am Baum" am 6. - 7. Mai 2014 in Karlsruhe stellte Ass. jur. Oliver Wittek im Rahmen seines Vortrages mit dem Thema: "Die VTA-Methode in der aktuellen Rechtsprechung" neue Urteile zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen vor.
1. Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 27.06.2013 (Az.: 4 U 441/12)

Sachverhalt:
 
Am frühen Morgen des 04.01.2010 befuhr der Kläger mit seinem PKW eine Gemeindestraße, als es zu dem streitgegenständlichen Unfall kam. In dem rechts neben der Fahrbahn gelegenen Waldstück (einem bewaldeten felsigen Hang mit einer Neigung von ca. 45 Grad) entwurzelte ein Feldahorn und stürzte unmittelbar vor dem vom Kläger  gesteuerten Fahrzeug auf die Straße. Der Kläger konnte dem herabstürzenden Baum nicht mehr ausweichen und fuhr deshalb genau in die Baumkrone hinein. Das Fahrzeug wurde dabei an der Vorderseite, der rechten Seite und auch am Unterboden beschädigt.

Entscheidungsgründe:
 
Das Thüringer OLG gab der Klage statt, da „in Würdigung der gut nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des  Sachverständigen H. kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass die Gefahr eines Schubversagens des Feldahorns bei einer ordnungsgemäßen Baumkontrolle hätte erkannt und so das zum Schaden des Klägers führende Umstürzen des Baumes auf die Fahrbahn hätte verhindert werden können (und müssen).“

Der Sachverständige hatte dargelegt, dass Ursache für die
Entwurzelung des Baumes und damit für dessen Umfallen auf die Straße das Phänomen des Schubversagens eines Hangbaums nach dem sog. Mohr-Coulombschen Gesetz gewesen sei: „Bäume in Hanglagen lockern durch Windbewegung den Boden und mindern derart die Scherfestigkeit der Erde. Bei deshalb immer stärkeren Scherbewegungen der Wurzelplatte in der Erde werden die über die mechanische Wurzelplatte herausragenden Wurzeln zunehmend verbogen. Die dünneren Wurzeln werden aus der Erde herausgerissen; dickere Wurzeln brechen ab. Ist der Baum durch diesen
Mechanismus ausreichend schief gestellt, zieht ihn das Gewicht der Krone nach unten. Das Schubversagen der Wurzelkalotte, d.h. die Entwurzelung des Baumes ist dann vollzogen. Er stürzt um. Das Phänomen des Schubversagens lässt sich als Auslöser hierfür dann in der Retrospektive  - wie im vorliegenden Fall - durch die abgerissenen Wurzeln nachweisen.“  

Gefahranzeichen für ein bevorstehendes Schubversagen habe es zur Überzeugung des Gerichts vorliegend gleich mehrere gegeben. In ihrer Gesamtheit seien sie bei der letzten Sichtkontrolle durch die Beklagte  am 19.08.2009 so eindeutig gewesen, dass sie zu gefahrverhütenden Maßnahmen hätten führen müssen:
 
- Der Sachverständige habe an dem von ihm untersuchten Stammansatz auf der Länge von einigen Metern keinerlei Verzweigungen vorgefunden. Der Baum sei also nicht verzweigt gewesen, sondern nur nach oben gerichtet (zum Licht hin) gewachsen. Nicht nur dieser Befund habe für ein phototropes Wachstum gesprochen, sondern auch die Tatsache, dass der Stamm nicht "abholzig" gewesen sei. Er habe im Stammfuß nicht wesentlich mehr Durchmesser als in zwei oder drei Metern Höhe gehabt, wie es kennzeichnend für einen Baum sei, der genügend Licht zum Wachsen habe, also im Wachstum nicht nach dem Licht streben müsse.

Ein phototropes  (nach lichtstrebendes) Wachstum wie es im streitgegenständlichen Fall vorlag sei für die Standfestigkeit des Baumes ungünstig, weil es das Verhältnis von Höhe und Durchmesser des Stammes, das sog. H/D-Verhältnis ungünstig beeinflusse. Wesentlich für die Standfestigkeit und damit die Verkehrssicherheit eines Baumes sei nämlich gerade die "Abholzigkeit".  In Parkanlagen sei deshalb ein H/D-Verhältnis von etwa 30 angestrebt. Die Bäume sollten unten möglichst dick sein und durch Abholzigkeit nach oben schlank werden. Von einem solchen für die Standfestigkeit "guten"  H/D-Verhältnis von 30 sei der streitgegenständliche Feldahorn indes weit entfernt gewesen. Der Sachverständige hatte einen ungünstigen Wert von  etwa 55 geschätzt. An der Stichhaltigkeit der Höhenschätzung des über eine jahrzehntelange Berufserfahrung und ein dementsprechend geübtes Auge verfügenden Sachverständigen blieben nach Auffassung des Gerichts keine vernünftigen Zweifel.

Da für einen in der Nähe der Fahrbahn gelegenen Baum das H/D-Verhältnis aus Gründen der Standfestigkeit gemäß den Ausführungen des Sachverständigen "in der Nähe der 30, keinesfalls aber über 40 liegen sollte", habe es mit dem vorliegend deutlich darüber liegenden ungünstigen Verhältnis von etwa 55 ein Gefahranzeichen gegeben, das schon für sich allein betrachtet - so der Sachverständige -  "den Kontrolleur zwingend zur Einleitung von gefahrverhütenden  Maßnahmen hätte bewegen müssen."

Nicht nur das phototrope Wachstum und das ungünstige  H/D-Verhältnis, sondern schon allein der Schiefwuchs des Baumes zur Fahrbahn hin und dessen Hanglage hätten nach Auffassung des Gerichts ein Gefahranzeichen für die Beklagte sein müssen. Ein Baum in einer deutlichen Hanglage wie vorliegend wachse in seinem phototroben  Bestreben nach dem Licht zunächst schief und gehe also erst im späteren Stammverlauf kerzengerade nach oben. Der Schwerpunkt des schiefen Baums liege zwangsläufig außerhalb des Mittelpunkts des Wurzeltellers und verlagere sich immer weiter und ungünstiger hiervon weg, je kronenlastiger der Baum werde. Dass deshalb auch schon ein schiefstehender Hangbaum mit einer in die Fahrbahnregion hineingewachsenen Krone ein deutliches Gefahranzeichen sei, sei gut nachvollziehbar. Beim schiefen Baum wirke nicht nur die wechselnde Biegebelastung durch den Wind ungünstig, sondern zusätzlich noch ein  statisches Biegemoment durch die Gewichtskraft der Krone, die sich nicht  mehr über dem Zentrum des Stammfußes befinde. Ein Schubversagen nach dem Mohr-Coulombschen Gesetz müsse sich dem sach- und fachkundigen Kontrolleur als naheliegendes Gefahrenszenario aufdrängen, und zwar dergestalt, dass der mit der Krone über die Fahrbahn gewachsene schiefe Baum im Fall der Entwurzelung zwingend auf die Fahrbahn stürzen werde.

Verstärkt worden seien die vorgenannten Gefahranzeichen noch durch den sandigen Hangboden, der grundsätzlich eine geringe  Scherfestigkeit besitze und für ein Schubversagen mithin besonders  anfällig sei.
                               
 
In der Gesamtheit der aufgezeigten Anzeichen für ein bevorstehendes Schubversagen habe die Beklagte spätestens im August 2009 reagieren, d.h. zumindest einen deutlichen und radikalen Kronenschnitt, wenn nicht gar ein gänzliches Entfernen des streitgegenständliches Feldahorns veranlassen müssen.

Fazit:
 
Das vorliegende Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts ist eine weitere Entscheidung in der Reihe obergerichtlicher Urteile, die auf VTA basieren. Insbesondere wurde der H/D-Schlankheitsgrad damit einmal mehr gerichtlich bestätigt und Kritikern der „monokausalen VTA-Versagenskriterien“ ein weiteres Mal der Boden entzogen.
 

 
2. Strafrechts-Urteil des Amtsgerichts Trier vom 28.11.2013 (Az.: 8012 Js 4098/13 – 27 Cs)

Sachverhalt:
 
Am 22.11.2012 stürzte gegen 13.20 Uhr eine ca. 80 bis 90 Jahre alte Rosskastanie im Rautenstrauchpark der Stadt Trier bei ruhigen Witterungsverhältnissen, insbesondere Windstille, und ohne jegliche  Fremdeinwirkung auf die am Park vorbeiführende Rautenstrauch-Straße und  begrub mit wuchtigem Aufprall eine Frau, die hierbei schwerwiegende, zum sofortigen Tode führende Brüche der Brust- und Halswirbelsäule mit  sofortigem Atemstillstand erlitt, sowie einen Mann, der schwer verletzt  wurde.

Die Staatsanwaltschaft Trier klagte den bei der Stadt Trier beschäftigten und für die Koordination der Baumpflege sowie die „Zweitkontrolle“ des städtischen Baumbestandes zuständigen Gärtnermeister an. Dieser wurde vom Amtsgericht Trier der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig befunden und zu 120 Tagessätzen zu je 40,- Euro verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
 
Die Rosskastanie war im Baumkataster der Stadt Trier mit dem Vitalitätsgrad 2,5 (Skala 0 = vital – 3 = fast abgestorben) erfasst und wies im Kronenbereich und hier in zahlreichen durch vorgängigen Rückschnitt der Starkäste entstandenen Schnittflächen starke Holzfäule und tiefreichende Höhlungen auf und weitere Höhlungen am efeubewachsenen Stamm sowie in dessen unterem Bereich Wuchsanomalien (Beulen/Wülste), die auf massive Baumdefekte im Stamminneren hindeuteten. Tatsächlich war die in ihrer Alterungsphase befindliche Rosskastanie von einem holzzersetzenden Pilz (Goldfell-Schüppling) befallen, der zu umfangreicher Fäulnis im Stamminneren und zu einer kompletten Aushöhlung des gesamtes Stammes, der nur noch aus einer dünnwandigen Röhre bestand, führte. An zahlreichen Stellen im Kronen- und Stammbereich der  Kastanie waren Pilzfruchtkörper sichtbar, auch am Stammfuß und zwischen  den Wurzelanläufen. Am Stammfuß zeigte sich zudem kurz oberhalb der  Erdaustrittsstelle des Baumes eine größere Höhlung (ca. 0,50 m breit und  0,25 m hoch), welche Zugriff in das Bauminnere und an das völlig  zersetzte, nur noch als pulvriger Mulm vorhandene Holzgewebe des Stammes  ermöglichte. Aufgrund vorgenannter, auch äußerlich sichtbarer Schäden  fehlte der Kastanie jegliche Standfestigkeit. Zur Vermeidung eines jederzeit drohenden Baumsturzes war die sofortige Fällung, für jeden  Fachmann ersichtlich, die allein sachgemäße Maßnahme.

In den Nachmittagsstunden des 23.07.2012 war ein Vorarbeiter der  Baumpflegekolonne der Stadt Trier mit seinen beiden Mitarbeitern vor Ort im Rautenstrauchpark, um Baumpflegearbeiten auszuführen. Ihm fiel der für die Jahreszeit ungewöhnlich schlechte Belaubungszustand der  Rosskastanie auf, die im Kronenbereich durchgängig herbstlich wirkende, hellgelbe Blätter trug. In spontanem Entschluss nahm er eine Baumbeschau vom Boden aus vor, sah hierbei u.a. die Astwunden und Höhlungen im  Kronenbereich, insbesondere aber auch die große erdnahe Höhlung am  Stammfuß der Kastanie. Mit einem Sondierstab stach er in vorgenannte Höhlung hinein und stellte hierbei fest, dass sich die Höhlung aufsteigend in den Stamm fortsetzte. Als er zusätzlich mit einer Hand in die Höhlung und an das Stamminnere griff, bemerkte er das vermulmte, pulvrig zersetzte Holzgewebe. Er nahm unverzüglich telefonischen Kontakt  zu dem Angeklagten auf, teilte ihm seine vorgenannten Feststellungen  mit und bat ihn, unverzüglich vor Ort zu kommen. Kurz darauf erschien  der Angeklagte vor Ort, wurde von dem Vorarbeiter eingewiesen und sah den Baum in seiner vorbeschriebenen Schadhaftigkeit. Ihm kamen Bedenken,  ob der Baum noch standsicher ist. Zur Überprüfung der Standfestigkeit ordnete er an Ort und Stelle einen sofortigen „Rütteltest“ an. Dabei wurde der Kronenbereich des Baumes durch Hin- und Herziehen mit einer  Stange in Schwingung versetzt und geprüft, ob hierbei Veränderungen am  Stammfuß und Wurzelbereich auftreten. Diese blieben aus. Daraufhin entschloss sich der Angeklagte, auf weitere eingehende Untersuchung des  Baumes „hier und jetzt“ zu verzichten und diese Untersuchungen einer
„Zweitkontrolle“ vorzubehalten. In der Folgezeit nahm der Angeklagte in  pflichtwidriger Weise die von ihm selbst angeordnete Zweitkontrolle  nicht vor, obwohl für ihn als zuständigem Fachmann die Standfestigkeit der Rosskastanie zumindest zweifelhaft, ein jederzeitiger Baumsturz vorstellbar und wegen der hohen Fußgängerfrequenz an Ort und Stelle der Eintritt gewichtiger Schäden für Leib und Leben von Passanten bei  Baumsturz denkbar war.

Nach Auffassung des Gerichts hätte die Rosskastanie im Übrigen einer zumindest halbjährlichen Baumkontrolle (Regelkontrolle) in belaubtem und unbelaubtem Zustand zugeführt werden müssen. Die Dienstanweisung der Stadt Trier sah in Anlehnung an die  FLL-Baumkontrollrichtlinie bloße einmalige Jahreskontrollen und eingehende Untersuchungen („Zweitkontrollen“) ohne zeitliche Vorgaben
vor. Dies erschien dem Gericht zumindest für die „Zweitkontrollen“, die  bei zweifelhafter Gefährdungslage nach Regelkontrolle durchzuführen  sind, mehr als bedenklich.

Fazit:
 
Das vorliegende Urteil des Amtsgerichts Trier ist ein Beleg dafür, dass rechtliche Risiken bestehen, wenn Baumkontrollen nicht mit der VTA-Methode durchgeführt werden. Hätte der Verurteilte den Baum bei seiner Untersuchung am 23.07.2012 mit der VTA-Restwandstärkenregel t/R  beurteilt, wäre der Unfall vermieden worden, denn der Baum war vorliegend dermaßen hohl, dass es keine weitere eingehende Untersuchung mit einem Resistographen bedurft hätte. Man hätte sofort erkennen können, dass die Kastanie kritisch hohl war und daher sofort gefällt  werden musste, als der Verurteilte in der offenen Morschung gestochert und mit der Hand in das faule, weiche Holz gefasst hat. Die  FLL-Baumkontrollrichtlinie sieht hingegen keine Regel zur Bewertung  einer kritischen Restwandstärke vor. Daher wurde vorliegend wohl auch  ein „Rütteltest“ – nach unserem Verständnis ähnlich der Zugversuche durchgeführt, was aus Sicht des Amtsgerichts Trier „keine  sachlich/fachlich anerkannte Maßnahme zur Kontrolle der Standfestigkeit eines Baumes ist“. Auch die Kontrollintervalle in Anlehnung an die  FLL-Baumkontrollrichtlinie sah das Gericht vorliegend für nicht ausreichend an.
 

 
3. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 19.06.2013 (Az.: I-11 U 75/12)

Der Kläger machte in diesem Verfahren Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Stadt geltend, da sein LKW am 02.07.2010 gegen einen herabhängenden Ast eines Baumes im Gemeindegebiet der Beklagten gefahren  war.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Beklagte verpflichtet
war, die Verkehrssicherheit auf den in ihrem Gemeingebiet liegenden Straßen zu gewährleisten. Hierzu gehöre auch, bei Straßenbäumen eine  äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung in Form einer fachlich qualifizierten und vom Boden aus durchgeführten Inaugenscheinnahme ohne Geräte vorzunehmen. Insofern habe sich die VTA-Methode bewährt, nach welcher die Bäume bei der Sichtkontrolle gezielt auf verdächtige biologische oder mechanische Defektsymptome hin überprüft werden. Dabei sei es jedenfalls ausreichend, eine jährlich etwa zweimal – in belaubtem und unbelaubtem Zustand – durchgeführte äußere Sichtprüfung, bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit eines Baumes, durchzuführen, wenn keine konkreten Defektsymptome des jeweiligen Baumes erkennbar sind.

Dieser ihr obliegenden Pflicht sei die Beklagte ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachten nicht nachgekommen, wobei insoweit offen bleiben konnte, ob bereits die Überschreitung des halbjährlichen  Kontrollintervalls eine Pflichtverletzung begründe. Denn zwar habe die Beklagte den Baum kontrolliert und keine Auffälligkeiten festgestellt, jedoch hatte der Sachverständige dargelegt, dass der Baum vor dem Unfallgeschehen Risse mit Wundholzbildung aufwies und von einem ebenfalls morschen und abgestorbenen Stamm eines anderen Baumes gestützt wurde. Infolge der Versprödung des Holzes sei es zu einem Abknicken des Stämmlings gekommen, welcher den unfallverursachenden Ast getragen habe, und zu einem dadurch bedingten Absenken des in den Straßenraum hineinragenden Astes. Jedenfalls bei der letzten Kontrolle am 19.11.2009 sei dieser Defekt bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar gewesen. Bei ordnungsgemäßem Handeln der Beklagten hätte entweder der gesamte Stämmling oder zumindest der in die Straße hineinragende Ast entfernt werden müssen.

Der Kläger musste sich jedoch ein Mitverschulden zurechnen lassen, da sich jeder Verkehrsteilnehmer auf Gefahren, auch in Form von in den Luftraum hineinragenden Ästen, einstellen und im eigenen Interesse der Schadensverhütung Maßnahmen ergreifen müsse, die nach der gegebenen Gefahrenlage geboten seien. Aufgrund des geraden Straßenverlaufs hätte die Gefahr des herabhängenden Astes bei Tageslicht von weit her erkannt werden können, zumal die zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h betrug. Daran ändere sich auch nichts durch den Umstand, dass der LKW die Unfallstelle noch am Unfalltag kurze Zeit zuvor schadlos passieren konnte, weil sich der Ast offenbar erst unmittelbar vor dem Unfallereignis abgesenkt hatte. Mit solchen Veränderungen müsse man bei einem lebenden Organismus wie ein Baum ständig rechnen.

Fazit:
 
Das vorliegende Urteil ist noch eine weitere Entscheidung in der Reihe obergerichtlicher Urteile, die auf VTA basieren, und ein weiterer Beleg dafür, dass VTA in der Rechtsprechung anerkannt ist.
 

 
4. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 24.10.2012 (Az.: I-11 U 100/12)

Der
Kläger begehrte von der beklagten Stadt aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung Ersatz von Schäden, die am 22.07.2011 gegen 15.00 Uhr an seinem im Gemeindegebiet geparkten Fahrzeug durch einen von einer Platane abgebrochenen Ast verursacht worden sind. In der ersten Instanz war die Klage noch abgewiesen worden. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein mit der Begründung, die Platanen hätten aufgrund der seit mehreren Jahren bei Platanen bekannten  Massaria-Krankheit auch und gerade im Sommer mehrfach unter Einsatz von Hubsteigern durch besonders geschultes Personal kontrolliert werden  müssen. In diesem Fall wäre der schadensverursachende Ast noch rechtzeitig als von der Massaria-Krankheit befallen erkannt und beseitigt worden.

Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz wurde die  Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers ergeben sich aus der speziell bei Platanen auftretenden Massaria-Krankheit und deren  Besonderheiten keine gegenüber anderen Baumarten generell erhöhten
Anforderungen an die Häufigkeit und Durchführung der vorzunehmenden  Regelkontrollen. Letztlich gingen von Platanen keine nennenswert größere Gefahren für Menschen und Sachwerte aus als von anderen Baumarten, da auch diese aufgrund anderer Einwirkungen und Erkrankungen in vergleichbarer Weise geschwächt werden können. Zum anderen ließe sich aber auch der Gefahr des plötzlichen Abbrechens von mit dem Massariapilz befallenen Ästen nicht mit einem der verkehrssicherungspflichtigen Beklagten noch zumutbaren finanziellen Aufwand vorbeugend begegnen, denn sonst müsste jede Platane zumindest zehnmal im Jahr unter Einsatz eines Hubsteigers durch geschultes Personal auf Anzeichen der Massaria-Krankheit hin untersucht werden.

Eine engmaschigere Kontrolle von Platanen auf einen möglichen Befall mit der Massaria-Krankheit, insbesondere unter Einsatz eines Hubsteigers, sei deshalb erst dann geboten und erforderlich, wenn ein entsprechender Befall in dem konkreten Baumbestand festzustellen ist. Andernfalls genüge die verkehrssicherungspflichtige Kommune auch bei  Platanen ihrer Verkehrssicherungspflicht durch zweimal im Jahr vom Boden aus durchgeführte Regelkontrollen, wobei eine im belaubten und eine im unbelaubtem Zustand des Baumes durchzuführen sei.

Vorliegend konnte der Kläger nicht nachweisen, dass zum Zeitpunkt, als zuletzt eine Kontrolle durch die Beklagte durchzuführen gewesen wäre, der schadensverursachende Baum oder ein anderer Baum in dessen näherer Umgebung Anzeichnen der Massaria-Krankheit aufgewiesen hatte. Der gerichtliche Sachverständige hatte ausdrücklich bestätigt,  dass er aufgrund des schnellen Verlaufs der Massaria-Krankheit keine Aussage dazu treffen könne, ob der schadensverursachende Baum zum relevanten Zeitpunkt Anzeichnen der Massaria-Krankheit aufgewiesen habe.

Fazit:
 
Das OLG Hamm bestätigt hinsichtlich der Kontrollintensität bei Platanen die bisherige Rechtsprechung, wonach intensivere Kontrollen erst ab einem festgestellten Befall mit der Massaria-Krankheit  erforderlich sind. Im Einklang mit diesen Urteilen hält es ebenfalls eine Sichtkontrolle vom Boden aus für genügend, obwohl die Platanen das  Krankheitsbild in erster Linie auf der Astoberseite aufweisen.

Ferner geht das OLG Hamm (wie im zuvor dargestellten Urteil) nach wie vor von einer zweimal im Jahr erforderlichen Regelkontrolle aus. Die  Kontrollintervalle nach der FLL-Baumkontrollrichtlinie zieht es nicht heran.
 

 
5. Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 04.11.2013 (Az.: 11 U 38/13)

Auch in diesem Verfahren ging es um die Frage, ob man aufgrund der bei  Platanen auftretenden Massaria-Krankheit häufiger und intensiver kontrollieren muss. Der Ast einer Platane, die an einer Verkehrsstraße  in Essen stand, war abgebrochen und hatte den Pkw der Klägerin beschädigt, die sodann Schadensersatz von der Stadt Essen verlangte, die für die Bäume verkehrssicherungspflichtig war. Das erstinstanzliche Landgericht Essen wies die Klage ab. Nach Einlegung der Berufung durch die Klägerin wies das OLG Hamm als Berufungsinstanz in einem Hinweisbeschluss darauf hin, dass das OLG übereinstimmend zu der Auffassung gelangt sei, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg  habe. Die Klägerin nahm daraufhin die Berufung zurück.

Bezüglich der Straßenverkehrssicherungspflicht wies das OLG Hamm
zunächst darauf hin, dass der Straßenverkehrssicherungspflichtige verpflichtet sei, eine äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung in Form  einer fachlich qualifizierten und vom Boden aus durchgeführten Inaugenscheinnahme des Baumes vorzunehmen. Insoweit habe sich die seit 1991 bekannte VTA-Methode bewährt, nach der die Bäume bei der  Sichtkontrolle gezielt auf verdächtige biologische und mechanische  Defektsymptome hin geprüft würden.

Ob die Bäume halbjährlich zu prüfen gewesen seien oder ob ein  längerer Zeitabstand zur letzten Prüfung ausreiche (wie dies z.B. die FLL-Baumkontrollrichtlinie vorsehe), ließ das OLG Hamm offen, da die  letzte Prüfung im vorliegenden Fall nur etwas mehr als zwei Monate zurückgelegen hatte. Das OLG Hamm wies dabei aber insbesondere darauf  hin, dass die Rechtsprechung des OLG Hamm zur halbjährlichen Kontrolle vom BGH nicht beanstandet worden sei. In der Literatur wird nämlich  vielfach die Auffassung vertreten, dass aufgrund des Urteils des BGH vom 02.07.2004 (Az. V ZR 33/04) die halbjährlichen Kontrollen nicht mehr  haltbar seien, da der BGH in dieser Entscheidung geurteilt hatte, dass die Häufigkeit und der Umfang von Baumkontrollen vom Alter und Zustand  des Baumes sowie von seinem Standort abhängig seien. Eine Beanstandung  der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm zur halbjährlichen Kontrolle sieht das OLG Hamm hierin jedoch nicht.

Im Übrigen entsprach die Beschlussbegründung im Wesentlichen den  Urteilsgründen der vorstehend unter Ziff. 4 dargestellten Entscheidung  des OLG Hamm vom 24.10.2012 (Az.: I-11 U 100/12).
 

 
6. Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 21.05.2013 (Az.: 1 U 132/12)

Leitsatz:
 
Die Straßenverkehrssicherungspflicht beschränkt sich nicht auf die  Fahrbahn, sondern erfordert gegebenenfalls sogar Sicherungsmaßnahmen gegen Gefahren, die von außerhalb auf den Verkehr einwirken. Bei einer  Landesstraße ist das Land daher in Bezug auf die am Straßenrand stehenden Bäume verkehrssicherungspflichtig. Hat das Land einen solchen Baum in Verkennung des Umfangs seiner Verkehrssicherungspflicht nicht kontrolliert und hätten solche Kontrollen reaktionspflichtige Vorschäden ergeben, so kommt dem durch einen Astbruch geschädigten Verkehrsteilnehmer der Beweis des ersten Anscheins für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unterlassen der Amtspflichtverletzung und dem Schadenseintritt zugute.

Sachverhalt:
 
Der Kläger (ein Kfz-Versicherer) macht aus übergegangenem Recht  einen Amtshaftungsanspruch aus dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend. Die Ehefrau ihres  Versicherungsnehmers befuhr am 26.06.2007 mit dem beim Kläge versicherten Fahrzeug eine Landstraße, als bei stürmischem Wetter ein massiver Ast einer am Straßenrand stehenden Robinie auf das beim Kläger versicherte Fahrzeug fiel.

In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen. Das Land habe zwar pflichtwidrig die ihm auf Grund seiner bestehenden Verkehrssicherungspflicht obliegenden Baumkontrolle des streitgegenständlichen Baumes unterlassen. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass diese Pflichtverletzung für den konkret eingetretenen Schaden kausal geworden sei. Die Darlegungs- und Beweislast liege beim Kläger. Diesem sei der Nachweis aber nicht gelungen, dass bei einer zumutbaren Überwachung der Straßenbäume eine Schädigung entdeckt worden wäre. Wurden Bäume nicht kontrolliert, so sei dies für das Schadensereignis nur dann kausal, wenn eine regelmäßige Besichtigung zur Entdeckung der Gefahr bzw. der Schädigung des Baumes  hätte führen können. Dies stehe indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Zwar wären Defekte vor dem Schadensereignis  erkennbar gewesen. Diese hätten aber nicht zwingend das Abbrechen des  streitgegenständlichen Astes am Schadenstag herbeigeführt.

Der Berufung des Klägers gab das OLG Sachsen-Anhalt in der zweiten Instanz statt und verurteilte das beklagte Land zum Schadensersatz.

Aus den Entscheidungsgründen:
 
Das Land sei für den Baum verkehrssicherungspflichtig, da dessen Äste in den Straßenkörper hineinragten und damit eine potenzielle Gefahr  für diesen selbst darstellte, wobei die Verkehrssicherungspflicht für  die Landstraße unstreitig beim beklagten Land liege. Indem das beklagte Land den streitgegenständlichen Baum unstreitig nicht kontrolliert habe  (wohl in der irrigen Annahme, insoweit nicht verkehrssicherungspflichtig  zu sein), habe es eine Amtspflichtverletzung begangen. Ausweislich des  eingeholten Sachverständigengutachtens wären bei einer Kontrolle eine  ganze Reihe von Schäden festgestellt worden, die dann auch hätten dokumentiert werden müssen. Im Hinblick auf die Anzahl der sichtbaren  Schadenssymptome wäre nach Ansicht des Sachverständigen eine intensive  Untersuchung des Baums als zweiter Schritt unumgänglich gewesen. Zwar  konnte der Sachverständige mangels ausreichender Informationen (fehlende  Dokumentation durch das beklagte Land/Entfernung des Baumes nach dem streitgegenständlichen Vorfall) letztlich die genaue Ursache des  Abbrechens des Astes nicht ermitteln (er geht davon aus, dass die Robinie infolge eines Pilzbefalls nach Beschädigungen an der Außenhaut des Baumes insgesamt vorgeschädigt war, er kann aber auch nicht ausschließen, dass der Ast z.B. durch den Sturm „Kyrill“ im Januar 2007 vorgeschädigt wurde). Damit kann sich das beklagte Land indes nicht entlasten. Im Ausgangspunkt trägt natürlich der Geschädigte (vorliegend  also der Kläger) die Beweislast auch für die haftungsbegründende Kausalität. Wenn allerdings die Amtspflichtverletzung und der zeitlich  nachfolgende Schaden feststehen, so kann der Geschädigte der  öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, dass der Schaden  nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; andernfalls bleibt die Beweislast beim  Geschädigten. Im vorliegenden Fall steht die Amtspflichtverletzung nach  dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Hinblick auf die unterlassene  Kontrolle des erheblich vorgeschädigten Baumes fest. Diese Vorschäden  hätten bei einer Kontrolle erkannt werden müssen und hätten zu weiteren  Maßnahmen Anlass gegeben. Damit hat sich letztlich die Gefahr im streitgegenständlichen Unfallgeschehen realisiert, die durch die Kontrollpflicht des beklagten Landes beseitigt oder zumindest gemindert werden sollte. Dann aber ist es gerechtfertigt, dem beklagten Land aufzuerlegen, den Anschein für die Kausalität zwischen Pflichtverletzung  und eingetretenem Schaden zu erschüttern. Dies kann sie aber wegen des offenen Beweisergebnisses hinsichtlich der genauen Ursache des  Abbrechens des Astes ebenso wenig, wie die Klägerin den  Kausalitätsbeweis führen könnte. Spricht gegen das beklagte Land ein  Anscheinsbeweis, geht das offene Beweisergebnis zu ihren Lasten und die  Klage hat dem Grunde nach Erfolg

Fazit:
 
Grundsätzlich trägt der Geschädigte die Beweislast dafür, dass eine Pflichtverletzung des Verkehrssicherungspflichtigen vorliegt und diese kausal für seinen Schaden war. Wenn jedoch eine  Amtspflichtverletzung durch ein Land/eine Gemeinde und der zeitlich nachfolgende Schaden feststehen, muss das Land/die Gemeinde den Nachweis führen, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist, wenn eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht. Es besteht in diesen Fällen ein sog. Anscheinsbeweis zugunsten des Geschädigten.



7. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 23.11.2012 (Az.: I-11 U 108/11)

Sachverhalt:
 
Der Kläger nahm die Beklagte wegen behaupteter Verletzung der  Verkehrssicherungspflicht für einen Straßenbaum auf Schadensersatz in Höhe von 3.979,37 € in Anspruch, nachdem ein herabfallender Ast am 24.06.2010 sein Fahrzeug beschädigte. Im Bereich der in 3,5 m Höhe befindlichen Morschung an dem Baum, von dem der Ast abgebrochen ist, war eine Holzfäule gegeben, die ca. 30-40 cm in den an dieser Stelle mehr als doppelt so dicken Stamm hineinragte. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Morschung unter Hinzuziehung einer Hebebühne oder Leiter hätte eingehend überprüft werden müssen, da der beklagten Stadt die Morschung seit der letzten Baumkontrolle vor ca. 1 ½ Jahren bekannt war.

Entscheidung:
 
Das Gericht wies die Berufung des Klägers ab. Zwar stimmte es dem  Kläger zu, dass die Beklagte angesichts des von ihr vorgefundenen Zustands des Baumes es nicht bei der bloßen Kontrolle vom Boden aus hätte belassen dürfen, sondern die bekannte Morschung des Baumes regelmäßig in geeigneter Weise darauf hätte untersuchen müssen, ob und ggf. wie stark an dieser Stelle eine Holzfäule vorliege, die für die Stabilität des Baumes von Belang sei. Allerdings hatte der Kläger nicht nachzuweisen vermocht, dass diese Amtspflichtverletzung ursächlich für seinen Schaden war. Ihm kam auch kein Anscheinsbeweis wie im zuvor  dargestellten Urteil zugute, da es vorliegend an der Voraussetzung fehlte, dass nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht. Es war gemäß dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht mehr positiv festzustellen, ob der Astbruch auf Fäulnis zurückzuführen war, die von der Morschung aus bis zum abgebrochenen Ast aufgestiegen war. Der abgebrochene Ast konnte auch durch einen Querfaserbruch versagt  haben, der von außen nicht zu erkennen ist.



8. Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22.05.2013 (Az.: 25 K 7920/12)

Sachverhalt:
 
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Ausnahmegenehmigung  von der Baumschutzsatzung zum Entfernen von zwei auf dem Nachbargrundstück stehenden Schwarzpappeln. Die beiden Bäume sind ca.  85-90 Jahre alt, ca. 26 m hoch und weisen jeweils einen Kronendurchmesser von mehr als 20 m auf. Die dicht beieinander stehenden Bäume haben eine gemeinsame Krone ausgebildet, die das Grundstück der  Klägerin überragt, insbesondere auch einige Starkäste. Im Juli und  August 2012 fielen große Äste auf das Grundstück der Klägerin. Dies veranlasste die Klägerin, die Fällgenehmigung bei der Beklagten zu  beantragen, welche diese ablehnte mit dem Hinweis, dass bei einer  Untersuchung der Pappeln keine Hinweise auf eine vorhandene Fäule  gefunden worden seien und davon auszugehen sei, dass es sich bei den erfolgten Starkastausbrüchen um sog. „Grünholzbrüche“ handle, die insbesondere bei Pappeln gelegentlich vorkommen könnten und nicht  vorhersehbar seien.

Aus den Entscheidungsgründen:
 
Das Gericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung zum Entfernen der beiden Schwarzpappeln, da von diesen nach Ansicht des Gerichts Gefahren für  Personen oder Sachen von bedeutendem Wert ausgingen und die Gefahren nicht auf andere Weise mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden könnten.

Das VG Düsseldorf stellte zunächst fest, dass die allgemeine Gefahr, dass – etwa bei einem Sturm – Äste von einem Baum herabfallen, noch keine Gefahr im Sinne der Baumschutzsatzung begründen, da sie für jeden Baum bestehe, unabhängig davon, ob er krank oder gesund sei. Ob allein aufgrund der erhöhten Bruchgefahr der Baumart Pappel eine Gefahr für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert im Sinne Baumschutzsatzung bestehe, ließ das Gericht dahinstehen, da die hinreichende  Wahrscheinlichkeit eines Schadens an Personen jedenfalls bei Würdigung  ieser bei jeder Pappel bestehenden erhöhten Bruchgefahr in Zusammenschau mit den vorliegend bei den Schwarzpappeln auf dem Nachbargrundstück aufgetretenen Starkastausbrüchen und den örtlichen Grundstücksverhältnissen bestehe.

Durch die Starkastabbrüche im Juli und August 2012 habe sich –  unabhängig von der allgemeinen Bruchneigung der Baumart Pappel –  gezeigt, dass die auf dem Nachbargrundstück stehenden Bäume eine erhöhte  Gefahr von Starkastabbrüchen bargen. Zudem unterscheide sich die  örtliche Situation grundlegend vom öffentlichen Straßen-/Parkraum, als  die Krone der Pappeln, insbesondere mehrere Starkäste, einen großen Teil  des recht kleinen hinteren Grundstücksbereichs der Klägerin überragen,  der als Garten genutzt wird. Mit der Nutzung als Garten sei eine  wesentlich längere Verweildauer unter dem Baum verbunden, als sie  typischerweise beim Passieren eines Straßenbaumes oder beim Abstellen  eines Kraftfahrzeugs unter einem an einem Parkplatz gepflanzten Baum zu  verzeichnen sei. Mit der längeren Verweildauer sei eine erhöhte  Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts verknüpft. Zudem sei die  Größe der Starkäste zu berücksichtigen, aus der im Vergleich zu  kleineren herabfallenden Ästen eine erhöhte Gefahr für Personen bis hin  zur Lebensgefahr resultiere.

Die mithin von den Pappeln ausgehende Gefahr für Personen könne nicht auf andere Weise mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden. Da der recht kleine hintere Grundstücksbereich der Klägerin zum großen Teil von der Krone der Pappeln überragt wird, müsste die Klägerin, um die Gefahr zu vermeiden, auf die Nutzung eines großen Teils des hinteren  Grundstücksbereichs verzichten. Diese starke Einschränkung in der Ausnutzung ihres Grundstücks sei der Klägerin nicht zumutbar.

Fazit:
 
Die Frage, ob die Pappel ein „Gefahrenbaum“ ist, wurde vorliegend  aufgrund der besonderen Umstände des Falles (vermehrte Astabbrüche in der Vergangenheit; Abbruch von Starkästen; Krone überragte fast den kompletten Garten des Klägers, so dass ihm kaum mehr eine gefahrenlose  Nutzung des Gartens verblieb) offen gelassen. Es bleibt daher einer  höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten zu der Frage, ob Pappeln im öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen oder jedenfalls stark zurückzuschneiden sind. Bisher gibt es hierzu mehrere Entscheidungen  auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die diese Frage  unterschiedlich beantworten.



9. Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23.07.2013 (Az.: I-9 U 28/13)

In  diesem Verfahren ging es um einen Gebäudeschaden durch eine vom Nachbargrundstück des Beklagten am 12.07.2010 umgestürzte Eiche. Zur Frage, ob und ggf. wann ein privater Grundstückseigentümer einen Fachmann hinzuziehen müsse zur Untersuchung von Bäumen auf Schäden und Erkrankungen, machte das Gericht folgende Ausführungen:
„Grundsätzlich obliegt es jedem Eigentümer, die auf seinem Grundstück vorhandenen und unterhaltenen Pflanzen, insbesondere aber Bäume auf Schäden und Erkrankungen in regelmäßigen Abständen zu untersuchen und im Falle des Verlustes der Standfestigkeit zu entfernen, damit von ihnen keine Gefahr ausgeht. Die Kontrolle der im privaten Bereich unterhaltenen Bäume kann der Eigentümer selbst durchführen und muss sich hierbei keines Fachmanns bedienen. Schäden und Erkrankungen können in der Regel von einem Laien hinreichend (z.B. aufgrund abgestorbener Äste, brauner oder trockener Blätter, Verletzungen der Rinde und sichtbaren Pilzbefalls) erkannt und darauf rechtzeitig  reagiert werden. Dies gilt auch für ältere Bäume wie für die hier betroffene ca. 200 Jahre alte Eiche. Denn ein allgemein bekannter Grundsatz, dass von älteren (und in der Regel auch alt werdenden) Bäumen eine schwerer zu erkennende Gefahr ausginge, existiert nicht. Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist erst bei Zweifelsfragen zu veranlassen. Es überstiege die Anforderungen an den Verkehrskreis der  Privateigentümer, die Kontrolle zumindest jedes älteren Baumes einem Fachmann oder Sachverständigen überlassen zu müssen. Schwierigkeiten ergäben sich insbesondere schon daraus, dass es für einen Privateigentümer keine erkennbare Regel gäbe, ab wann ein Baum als älter  einzustufen wäre und einer fachmännischen Kontrolle bedürfte, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen.“
Vorliegend hatte der Beklagte die regelmäßige Kontrolle zwar nicht selbst durchgeführt, sondern seinem Neffen übertragen, dessen Tätigkeit zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ausreichend war.

Fazit:
 
Die Kontrolle der im privaten Bereich unterhaltenen Bäume kann der Eigentümer selbst durchführen und muss sich hierbei keines Fachmanns bedienen. Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist erst bei  Zweifelsfragen zu veranlassen. Dies gilt auch bei älteren Bäumen.
 

 
10. Urteil des Landesgerichts Aachen vom 17.07.2012 (Az.: 12 O 318/11)

In  diesem Verfahren ging es um den Sturz von 3 Bäumen aus einem  Hangwald-Grundstück der beklagten Gemeinde auf das Nachbargrundstück   des Klägers, auf dem ein Wildzaun und eine Anpflanzung von Jung-Bäumen  beschädigt wurden. Das Gericht gab der Klage aus folgenden Erwägungen  statt:
"Aufgrund des engen Stands der Bäume konnten im Verhältnis zur Baumhöhe nur kleine Wurzelteller ausgebildet werden. Aufgrund der weiteren örtlichen Gegebenheiten hatten die Bäume keinen ausreichenden  Halt. So hat u.a. der lehmartige Boden, bei dem eine starke Bodenfeuchtigkeit vorlag, den Bäumen keinen ausreichenden Halt geboten. Zu einem vorherigen Umsturz kam es nur nicht aufgrund des tieferstehenden Bestands und des Auflehnens. Der Sachverständige hat weiter festgestellt, dass an dem streitgegenständlichen Standort insgesamt keine Eignung für einen Baumbestand vorlag. Es war daher unerheblich, ob die Beklagte ihren Pflichten aufgrund einer Kontrolle nachgekommen ist und wie oft diese erforderlich war. Ebenfalls unerheblich ist der Einwand, dass nicht festgestellt sei, dass der konkret umgestürzte Baum morsch gewesen, von Pilzen befallen oder sonst gefährdet war. Ausweislich der überzeugenden Feststellungen des  Sachverständigen, welchen sich die Kammer anschließt, war der streitgegenständliche Hang insgesamt nicht dazu geeignet, dass sich darauf ein derartiger Baumbewuchs befand. Es bestand dort eine erhöhte Schadensgeneigtheit und die Bäume konnten bereits aufgrund geringer Einwirkungen umstürzen. Dementsprechend hätte die Beklagte feststellen müssen, dass der Baumbewuchs dort nicht mehr bestehen bleiben kann."  



Aktuelle juristische Fachliteratur:
 
Wussow: Unfallhaftpflichtrecht in 16. Auflage, soeben erschienen  im Carl Heymanns Verlag, verweist auf VTA als "den rechtlichen  Anforderungen der Verkehrssicherungspflicht entsprechende"  Baumkontrollmethode (S. 4 des Buches) und zitiert:
Mattheck/Hötzel, Baumkontrolle mit VTA (Visual Tree Assessment),
Wittek, Verkehrssicherungspflicht für Straßen-  und Waldbäume, VTA in der deutschen und internationalen Rechtsprechung  und Normgebung, Agrar- und Umweltrecht 2012, 208 m.w.N.

Der "Wussow" ist seit Jahrzehnten eines der bekanntesten Werke der  Rechts- und Versicherungspraxis und „die Bibel“ des  Unfallhaftpflichtrechtes schlechthin.
(Ass. jur. Oliver Wittek, Kronau)
     
   
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