Baumkontrollen: Akute Gefahren - Gefahr in Verzug
Fruchtkörper des Brandkrustenpilzes am Stammfuß einer Linde. Foto: P. Klug
(1.5.2024) Zum Erhalt der Sicherheit von Bäumen im Siedlungsbereich oder entlang von Straßen sind regelmäßige Kontrollen durch fachkundige Personen erforderlich, um eventuelle Gefahren zu erkennen und zielgerichtete Maßnahmen einleiten zu können und damit den Ansprüchen der Verkehrssicherungspflicht zu genügen und Haftungsansprüche abzuwenden *. Bei Baumkontrollen geht es immer wieder um die Frage nach der Dringlichkeit von Maßnahmen. Gelegentlich werden bei Baumkontrollen akute Gefahren festgestellt. Worum geht es dabei oder auch worum geht es nicht? Gefahr in Verzug setzt stets voraus, dass ein Schaden eintritt, wenn nicht sofort gehandelt wird. Ohne ein sofortiges Einschreiten muss der drohende Schaden tatsächlich entstehen. Spekulationen oder Vermutungen sind nicht ausreichend. Bei Baumkontrollen sind akute Gefahren eher selten *. Tauchen sie aber auf, muss unverzüglich gehandelt werden.
Keine akuten Gefahren sind: abgestorbene Äste; auch tief gehende Fäulen an Stamm oder Krone solange der Baum darauf mit Kompensationswachstum reagiert; Ein oder einzelne Pilzfruchtkörper z.B. des Lackporlings begründen keinen sofortigen Handlungsbedarf. Auch einseitige Rissbildungen gehören zu den regelmäßig auftauchenden Schadmerkmalen.
Akute Gefahren sind: abhängig vorn Ausmaß des Schadens und der Sicherheitserwartung am Baumstandort - vor allem zwei Gruppen von Schadmerkmalen: Rissbildungen bzw. Spaltungen und vor allem Pilzfruchtkörper des Brandkrustenpilzes **. Für beide werden nachfolgend Beispiele aus der Praxis gezeigt.
Risse und Spaltungen
Riss: Ein Riss ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Stellen in Ast, Stamm oder Wurzel, an denen der Holzkörper einen Spalt bzw. eine Zwischenraum bildende schmale, längliche Öffnung aufweist. Auch wenn die Ursachen unterschiedlicher Natur sind, beruhen sie in der Regel auf Spannungen, die durch hohe Temperaturunterschiede, durch Trockenheit oder durch zu starke Belastungen hervorgerufen werden können. Risse an Bäumen können klein und unbedeutend sein, wenn der Spalt nur wenige Zentimeter in den Holzkörper ragt oder wenn ausschließlich ein Rindenriss entstanden ist. Sie können eine akute Gefahr anzeigen, wenn Stamm oder Ast durchgehend gespalten sind. Sie sind für den Baum immer eine Verletzung und damit eine Eintrittspforte für holzzersetzende Pilze und damit ein Ausgangspunkt für weitere Fäule. Wird ein Riss vom Baum überwallt, entstehen Rippen oder Leisten. Wird der Riss nur seitlich des Risses überwallt, entsteht ein einseitiger Überwallungswulst bzw. Kallusgewebe ***.
Der durchgehende Riss bei dem schwachen, senkrecht nach oben wachsenden Ast einer Hainbuche ist zwar ein deutlicher Schaden, stellt aber keine akute Gefahr dar. Eine leichte Einkürzung kann die Sicherheit wiederherstellen****. Foto: P. Klug
Die Vergabelung der Robinie ist seit Jahren gespalten. Der Sondierstab bestätigt die durchgehende Rissbildung. Der Stämmling ragt noch über 10 m hoch in Richtung Straße mit sehr hohem Verkehrsaufkommen. Die Bruchsicherheit ist nicht einzuschätzen, der Stämmling kann bei einer leichten Böe spontan ausbrechen oder noch Jahre lang halten. Der Schaden ist als akute Gefahr zu beurteilen mit unverzüglichem Handlungsbedarf**. Foto: Peter Klug
Brandkrustenpilz
Brandkrustenpilz (Kretzschmaria deusta): Ein intensiv holzzersetzender Pilz, der mit kleinen, unscheinbaren Sammelfruchtkörpern auftritt. Diese sind ein- bis mehrjährig. Meist im Frühjahr bildet sich die zunächst weiß- bis graufarbene Nebenfruchtform. Die ganzjährig sichtbare Hauptfruchtform besteht aus einem krustenartigen, flachen bzw. polsterförmigen Stroma (flächiges Pilzgewebe). Die Sporen sind schwarz. Die Fruchtkörper werden leicht übersehen, doch auch bei einer geringen Anzahl ist eine starke Holzzersetzung im Innern des Baumes nicht auszuschließen.****
Foto: P. Klug
Brandkrustenpilz an schräg und hochgewachsener Linde
Beidseitig des Stammes sind die Sammelfruchtkörper des Brandkrustenpilzes deutlich zu sehen. Da der Stamm relativ schwach ist, die Linde aber eine bedeutende Höhe hat, besteht akuter Handlungsbedarf. Der Standort ist in der Nähe einer stark befahrenen Straße. Foto: P. Klug
Auch wenn der Baum mit Kompensationswachstum reagiert: Eine Eingehende Untersuchung erscheint unnötig, könnte aber unverzüglich gemacht werden, um völlige Gewissheit zum Zustand zu bekommen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist der Baum aber nicht zu erhalten. Foto: P. Klug
Grunddaten: Linde, ca. 150-200 Jahre, Stammdurchmesser: 1 m Höhe: 27 m
Foto: P. Klug
Foto: P. Klug
Am Stammfuß der Linde sind auf der Zugseite die Fruchtkörper des Brandkrustenpilzes aufgetaucht. Die Eingehenden Untersuchung belegt einen zu ca. 2/3 zersetzten Querschnitt. Foto: P. Klug
Grafik des Schalltomogramms. Bild: P. Klug
In der Grafik des Schalltomogramms stehen die geringen Schallgeschwindigkeiten für geschädigtes Holz. Die Farben Hellbraun, Grün, Lila und Blau stellen abnehmende Schallgeschwindigkeiten dar. Nur bei sehr hoher Schallgeschwindigkeit (dunkelbraun) kann stabiles Holz erwartet werden. Die Schallgeschwindigkeit kann auch durch andere Faktoren wie z. B. Sehwundrisse oder eine fehlende Verbindung im Holz durch Rindeneinwuchs - wie hier vermutlich zwischen den Messpunkten 3 und 4 - beeinträchtigt werden.
Resultat:
Bei der massiven Holzzersetzung durch den Brandkrustenpilz auf der Zugseite der hochgewachsenen Linde ist von einer akuten Gefahr auszugehen, die einen unverzüglichen Handlungsbedarf fordert.
Bei der massiven Holzzersetzung durch den Brandkrustenpilz auf der Zugseite der hochgewachsenen Linde ist von einer akuten Gefahr auszugehen, die einen unverzüglichen Handlungsbedarf fordert.
(Klug P., 2024)
Literatur
*FLL (2020): Baumkontrollrichtlinien - Richtlinien für Baumkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V., Bonn
**KLUG, P. (2017): Praxis Baumkontrolle - Baumbeurteilung und Baumkataster. Arbus Verlag, Gammelshausen. 1. Aufl., 256 S.
***KLUG, P. (Hrsg.) (2020): Arbolex Web-App- Baumpflege-Lexikon. Arbus Verlag, Gammelshausen. www.arbolex.de
****KLUG, P; LEWALD-BRUDI, M. (2020): Holzzersetzende Pilze. Arbus- Verlag, Bad Boll.3. Aufl., 160 S.
Sachverständigenbüro Peter Klug
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