Wie Europas Bäume die Eiszeit überlebt haben

Künstlerische Interpretation einer eiszeitlichen Steppenlandschaft. Quelle: kes
(4.6.2024) Sie dürften eigentlich gar nicht mehr in Europa vorkommen: die Eiche, die Linde und die Esche. Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, vor etwa 20.000 Jahren, war es für diese Bäume viel zu kalt, um zu überleben. Trotzdem wachsen sie noch immer in ganz Europa. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, wie das möglich ist.
Die Bäume verdanken ihr Überleben den heißen Quellen in Mitteleuropa, wie neue Erkenntnisse zeigen. Diese Quellen waren während der Eiszeit eine Art Oase und gaben ihre Wärme an die Umwelt ab. Dadurch konnten Eichen, Linden und Eschen überleben und sich später wieder in ganz Europa ausbreiten, schreiben tschechische Forscher in "Science Advances".
Beweise dafür lieferten den Geologen unter anderem die fossilen Überreste von Bäumen, die sie im Wiener Becken, einer Ebene zwischen den Alpen und den Karpaten, fanden. Mit Hilfe der Kohlenstoffdatierung zur Altersbestimmung konnten sie feststellen, dass die Bäume dort während des letzten glazialen Maximums, dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 bis 22.000 Jahren, gelebt haben müssen.
![Die Lage der entdeckten Ablagerungen in Mähren (roter Stern) und eines Hydrothermalfeldes im Liptauer Becken (gelber Stern) sowie die Verteilung der bisher untersuchten Fundstellen mit makrofossilen Baumfunden aus der Weichsel-Kaltzeit. Die maximale Ausdehnung der Gletscher [blau] und die südliche Grenze der Permafrostzone (Periglazial) [gestrichelte Linie] (nach (79)) sind ebenfalls dargestellt. Europa während der Weichsel-Kaltzeit](images/vereisung-europa-3624.webp)
Die Lage der entdeckten Ablagerungen in Mähren (roter Stern) und eines Hydrothermalfeldes im Liptauer Becken (gelber Stern) sowie die Verteilung der bisher untersuchten Fundstellen mit makrofossilen Baumfunden aus der Weichsel-Kaltzeit. Die maximale Ausdehnung der Gletscher [blau] und die südliche Grenze der Permafrostzone (Periglazial) [gestrichelte Linie] sind ebenfalls dargestellt. Abb.: © Hošek et al./Science Advances/2024 🔎
Anschließend analysierten sie das an dieser Stelle gefundene Siliziumdioxid, einen wichtigen Bestandteil der Erdkruste. Daraus konnten sie ableiten, dass es dort zu jener Zeit einen Ausfluss aus einer hydrothermalen Quelle gegeben haben muss. Ein klarer Hinweis darauf, dass die Bäume in der Umgebung dieser Stelle von einer lokal höheren Temperatur profitiert haben könnten.
Wissenschaftler vermuteten bereits, dass heiße Quellen für das Überleben von Eichen und Linden eine Rolle spielten, aber bisher fehlte der Beweis. „Dies ist der erste direkte Beweis für die Existenz eines gemäßigten Ökosystems nördlich der Alpen während der Eiszeit“, sagt der leitende Forscher Jan Hosek von der Karls-Universität in Prag.
Solche Quellen sind im östlichen Mitteleuropa nicht ungewöhnlich, sagen die Forscher. „Es könnte viele Orte gegeben haben, an denen während des letzten glazialen Maximums ein ähnliches Mikroklima herrschte“, sagt Hosek.
(kes)
Publikation
Jan Hošek et alt. Hot spring oases in the periglacial desert as the Last Glacial Maximum refugia for temperate trees in Central Europe. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.ado661 ↗