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Warum die Tropen so artenreich sind
Üppiges Wachstum in einem Tropenwald
Tropische Regenwälder sind für ihre Artenvielfalt berühmt. Foto: Alenka Skvarc auf Unsplash
(21.10.2023) Die Biodiversität ist in den Tropen am größten. Dass es dort heiß und feucht ist, spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber das Klima allein kann die globale Verteilung der Biodiversität nicht gut erklären. Forschende der Eidg. Forschungsanstalt für Schnee, Wald und Landschaft haben dieses Rätsel nun von einer ganz anderen Seite angepackt – und einen neuen, doppelt so wichtigen Grund identifiziert.

Wie viele Arten im tropischen Regenwald leben, weiß niemand genau. Laut einer häufig zitierten Schätzung sollen es zwei Drittel aller weltweit vorkommenden sein; eine neuere Studie fand, dass es bei den Landwirbeltieren – Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere – über 60 Prozent sind. Klar ist, dass die Biodiversität in den Tropen am größten ist und zu den Polen hin abnimmt. «Latitudinaler Biodiversitätsgradient» nennen Fachleute dieses Phänomen, das seit über 200 Jahren bekannt ist.

Ebenso lange suchen Forschende nach Erklärungen für diese globalen Muster in der Verteilung der Biodiversität. Tropische Lebensräume sind uralt und konnten im Lauf der Zeit unzählige Arten ansammeln. Auch beanspruchen sie im Vergleich zu anderen Klimazonen eine besonders große Fläche – viel Platz, genug Kapazität und viele verschiedene Lebensräume für eine Vielzahl unterschiedlicher Arten. Als einer der wichtigsten Faktoren gilt aber ihr warmes und feuchtes Klima, in dem biologische Prozesse besonders schnell ablaufen, das weder Sommer- noch Winterpause kennt und dadurch besonders produktiv ist.

«Offen war aber, ob dem Artenreichtum nun in erster Linie das Klima zugrunde liegt oder ob die große Fläche und Isolation der Region die größere Rolle spielt», sagt Catherine Graham von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL. Auf der Suche nach einer Antwort stellten die WSL-Forschenden und ihre Kolleginnen und Kollegen die übliche Herangehensweise an diese Frage auf den Kopf – und konnten die globale Verteilung des Artenreichtums plötzlich viel besser erklären, als dies bis anhin möglich war.

Die Geografie des Klimas

Der WSL-Postdoktorand Marco Túlio Pacheco Coelho katalogisierte mit dem Forscherteam die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen auf der Erde. Dabei erfassten die Forschenden akribisch das Vorkommen verschiedener Landwirbeltierarten - von Vögeln und Säugetieren bis hin zu Amphibien und Reptilien -, die jeweils unter diesen spezifischen Klimabedingungen gedeihen.

Dann untersuchten sie, wie groß und wie entfernt voneinander die einzelnen Regionen mit identischen Klimabedingungen auf dem Globus sind. Während sich bestimmte klimatische Bedingungen über weite Regionen erstrecken, treten andere eher sporadisch auf, wie isolierte Flecken in einem vielfältigen Klimagefüge, die an Inseln inmitten eines riesigen, abwechslungsreichen Ozeans erinnern.

Waldszene in Finnland
Nordische Wälder beherbergen deutlich weniger Arten als jene in der Nähe des Äquators. Foto: Emmi Nummela auf Pixabay

Erwartungsgemäß zeigte sich bei der Analyse, dass Wärme und Feuchtigkeit wichtige Voraussetzungen für eine hohe Artenvielfalt sind. «Aber doppelt so wichtig ist, was wir ‘Geografie des Klimas’ nennen: die Isolation von Regionen mit denselben Klimabedingungen voneinander und deren Gesamtfläche», sagt Graham. Wenn die Gesamtfläche aller Regionen mit demselben Klima groß und die einzelnen Regionen voneinander isoliert waren, war die Biodiversität besonders hoch.

Analogie zur Sprachenvielfalt

Coelho erklärt: «In Bergregionen unterscheiden sich Dialekte oft von Tal zu Tal, weil die Menschen durch die Berge zwischen ihnen voneinander getrennt sind. Das Gleiche passiert mit Pflanzen und Tieren. Leben sie an isolierten Orten, wachsen und verändern sie sich auf ihre ganz eigene Weise.» Der Clou: «Die Landfläche der Tropen erfüllt diese Voraussetzungen – es gibt große tropische Regenwälder auf verschiedenen Kontinenten», sagt Graham. Und auch die Artenvielfalt ist dort am größten. Die kühleren Regionen der höheren Breitengrade dagegen besitzen weniger Fläche als die Tropen, und sind besser miteinander verknüpft – und deutlich artenärmer als die Tropen.

Die Forschenden schlagen daher die «Geografie des Klimas» als Erklärung für den Latitudinalen Biodiversitätsgradienten vor. Doch ihre Ergebnisse haben nicht nur theoretischen Wert:  «Sie können für die Zukunft sehr nützlich sein», sagt Coelho. Denn nicht nur das Klima werde sich in Zukunft ändern, sondern auch die Klimazonen veränderten sich. «Die Fragen sind: Wenn die Klimazonen ein Puzzle wären, würden dann einige Teile verstreuter und andere enger beieinander liegen? Wird sich ihre Größe ändern?», sagt der Forscher. Dies lasse sich mit der neuen Methode beantworten. Coelho: «Wenn wir wissen, wie sich diese Puzzleteile verschieben könnten, können wir uns besser darauf vorbereiten, in einem sich verändernden Klima das Leben auf unserem Planeten zu schützen.»
(Stephanie Kusma, WSL)

Publikation
Coelho, M.T.P., Barreto, E., Rangel, T.F. et al. (2023): The geography of climate and the global patterns of species diversity. Nature, articles/s41586-023-06577-5
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