Direkt zum Seiteninhalt

War der letzte Winter zu warm für unsere Waldbäume? - Wissen

Schriftzug, arboristik.de
Menü überspringen
Menü überspringen
Onlinemagazin für  Arboristik, Baumpflege, Baumschutz - Berichte und Meinungen rund um das Thema Baum und Natur
Menü überspringen
kleines Logo
Menü überspringen
Info anfordern:

War der letzte Winter zu warm für unsere Waldbäume?
Laubbäume in einem Mischwald
Foto: Pixabay / Pixabay Lizenz   

(23.3.2020) In Gärten und Hecken entfalten sich die  ersten Blätter, die Blüten von Obstbäumen ziehen Bienen an. Auch im Wald  sind die Knospen im Begriff, sich zu öffnen. Der Frühling kommt,  nachdem es kaum richtig Winter gewesen ist. Hat dies dem Wald geschadet?  Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL und der  Universität Neuenburg untersuchen, welche Auswirkungen zu milde  Wintertemperaturen auf die Vegetation haben könnten.

Der Winter 2019/2020 in Europa war der mildeste seit Beginn der  Aufzeichnungen, wobei insbesondere der Februar Rekordwerte erreichte.  Die Messstationen von Meteo Schweiz registrierten beispielsweise mehrere  Nächte, in denen die Temperaturen nicht unter 10°C oder gar 12°C  fielen, sowie Tage mit Werten über 20°C (z.B. 24°C in Grono im Kanton  Graubünden am 16. Februar).
Das könnte Waldbäume vor Probleme stellen: Um sicherzustellen, dass der  Winter vorbei ist, und um ein optimales Wachstum zu ermöglichen,  benötigen Bäume und Sträucher in gemäßigten Klimazonen jedoch einen  Kältereiz, also kalte Temperaturen für eine bestimmte Zeit. „Wenn  die Knospen nicht ausreichender Kälte ausgesetzt sind, kommen die Bäume  nicht richtig aus ihrer Winterruhe heraus. Das kann soweit führen, dass  sich manche Knospen gar nicht oder nur unvollständig entwickeln“, erklärt Frederik Baumgarten, Doktorand an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. In einem laufenden Experiment quantifiziert der junge Forscher den Kältebedarf von Bäumen experimentell. Dazu stellte er mehr als 2000 Zweige von sechs in der Schweiz verbreiteten Baumarten in Klimakammern und setzte sie mehrere Wochen lang unterschiedlichen Winterbedingungen aus - mehr oder weniger kalt, für unterschiedlich lange Zeit.
Frederik Baumgarten untersucht im Rahmen seiner Diplomarbeit an der WSL den Kältebedarf verschiedener Baumarten in einer Klimakammer.
Frederik Baumgarten untersucht im Rahmen seiner Diplomarbeit an der WSL den Kältebedarf verschiedener Baumarten in einer Klimakammer.
Foto: Michèle Kaennel Dobbertin, WSL
Manche mögen‘s kalt...

Erste Ergebnisse zeigen, dass einige Arten wie Eiche oder Birke weniger Kälte brauchen als andere, um aus der Winterruhe zu kommen. Ihr Austrieb im Frühjahr könnte daher mit der Erwärmung des Klimas immer früher
erfolgen. Im Gegenteil dazu benötigen andere Arten wie Buche oder Ahorn ziemlich viel Kälte, um sich im Frühjahr optimal entwickeln zu können. „Meine Analysen zeigen, dass bestimmte Temperaturen, insbesondere unter 4°C, bei einigen Arten wirksamer sind, um sie 'aufzuwecken', während bei anderen alle Temperaturen unter 10°C ähnlich wirksam sind, um die Winterruhe aufzuheben“, erklärt Baumgarten.
Yann Vitasse, der die Diplomarbeit des jungen Biologen an der WSL betreut, fügt hinzu: „Ggenwärtig scheint es auch in diesem warmen Winter in der Schweiz kalt genug gewesen zu sein, um die Knospenruhe der Bäume aufzuheben. Sehr milde Spätwintertemperaturen wie in diesem Jahr locken die Vegetation früher aus der Winterruhe. Dies gilt insbesondere für frühe Arten, die weniger Kälte zum Aufwachen benötigen, wie viele Obstbäume, aber auch Hainbuchen, Birken und viele Sträucher.“ Analysen langer Datenreihen, die an der Universität Neuenburg und der WSL durchgeführt wurden, zeigen beispielsweise, dass Apfel- und Kirschbäume heute durchschnittlich etwa zwei Wochen früher als in den 1970er Jahren blühen.
Diese beiden Zweige der Hainbuche wurden in einer Klimakammer für unterschiedlich lange Zeit tiefen Temperaturen (um 4°C) ausgesetzt. Für den oberen Zweig war die Kälte zu kurz, er entwickelt sich nur unvollständig. Der untere Zweig treibt normal aus, für ihn war die Kältebehandlung lang genug. Foto: Michèle Kaennel Dobbertin, WSL
Diese beiden Zweige der Hainbuche wurden in einer Klimakammer für unterschiedlich lange Zeit tiefen Temperaturen (um 4°C) ausgesetzt. Für den oberen Zweig war die Kälte zu kurz, er entwickelt sich nur unvollständig. Der untere Zweig treibt normal aus, für ihn war die Kältebehandlung lang genug.
Foto: Michèle Kaennel Dobbertin, WSL
... aber Vorsicht vor dem Frühlingsfrost

Wenn die Vegetation als Reaktion auf die globale Erwärmung früher auszutreiben beginnt, könnte sie jedoch
anfälliger für Frühjahrsfröste sein. In diesem Jahr ist das Risiko wegen des milden Februars bereits hoch, aber der tatsächliche Schaden wird letztlich von den Temperaturschwankungen im März und April abhängen. „Insgesamt hat jedoch das Risiko von Frühfrösten im Tiefland mit der allgemeinen Klimaerwärmung nicht zugenommen“, sagt Professorin Martine Rebetez, die kürzlich zwei Studien zu diesem Phänomen leitete. „Oberhalb von 800 Metern stieg jedoch die Gefahr für Frühlingsfrost leicht an.“
Die Buche braucht ziemlich viel Kälte, um sich im Frühjahr optimal entwickeln zu können. Foto: Michèle Kaennel Dobbertin, WSL
Die Buche braucht ziemlich viel Kälte, um sich im Frühjahr optimal entwickeln zu können.
Foto: Michèle Kaennel Dobbertin, WSL

In den Jahren 2016 und 2017 kam es im April nach sehr milden Perioden zu folgenschweren Frösten. Insbesondere der Kälteeinbruch von 2017 hat in den Obstgärten in der Schweiz, Österreich und Deutschland immense Schäden verursacht. “Unsere Untersuchungen zeigten jedoch, dass dies eine Ausnahmesituation war. Frost war in unseren Breitengraden schon immer ein Risiko. Tatsächlich besagen traditionelle Sprichwörter, dass es bis Anfang Mai regnen sollte, da die Wolkendecke eine starke nächtliche Abkühlung und damit die Gefahr von Frost verhindert“ erinnert sich Martine Rebetez.
(Michèle Kaennel Dobbertin / ↗Universität Neuenburg / ↗WSL)
Zurück zum Seiteninhalt