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In der Wüste hilft Wachs beim Überleben - Wissen

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In der Wüste hilft Wachs beim Überleben
Blätter der Dattelpalme vertrocknen selbst bei über 50 Grad Celsius nicht
Foto: Mkaylani, pixabay / Pixabay License
(2.5.2019) Die Blätter von Dattelpalmen können sich auf  Temperaturen um 50 Grad Celsius erhitzen. Das überleben sie dank einer  speziellen Wachsmischung, die für das Dasein in der Wüste essenziell  ist. '

Im Jahr 1956 entdeckte der Würzburger Botaniker
Otto Ludwig Lange  in der mauretanischen Wüste in Westafrika etwas Interessantes: Er fand  Pflanzen, deren Blätter bis zu 56 Grad heiß werden können. Dass Blätter  eine solche Hitze aushalten, ist erstaunlich. Der Professor vermochte  damals nicht zu sagen, welche Mechanismen dafür verantwortlich sind,  dass die Blätter bei diesen Temperaturen nicht austrocknen. Mehr als 50  Jahre später ist es den Botanikern Markus Riederer und Amauri Bueno von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gelungen, das Geheimnis zu lüften.

Um zu verstehen, was die beiden herausgefunden haben, muss man  Näheres über den Aufbau eines Pflanzenblatts wissen. Denn dabei handelt  es sich um etwas äußerst Kompliziertes. So haben Pflanzenblätter eine  für das menschliche Auge meist unsichtbare Haut. „Bei der Tomate sieht man sie“, erläutert Professor Riederer, Inhaber des Lehrstuhls für Botanik II der JMU. Biowissenschaftler sprechen von der „Kutikula“.  Die kann man sich wie eine sehr dünne Plastikfolie vorstellen. Ohne  diese „Folie“ würde das Blatt der Pflanze binnen kürzester Zeit  vertrocknen: „Die Wasserdurchlässigkeit einer Kutikula ist noch geringer als die einer Plastikfolie.“

Stetige Abwägung: Poren öffnen oder schließen?

Nun handelt es sich bei der Pflanzenhaut allerdings nicht um eine durchgängige Schicht, die sich über das Blatt ziehen würde. In ihr befinden sich zahlreiche Poren, Stomata genannt, die auf- und zugehen können. Durch diese Spaltöffnungen ernährt sich die Pflanze. Riederer: „Sie nimmt dadurch das Kohlendioxid auf, das sie für die Photosynthese braucht.“
Problematisch ist nun, dass immer dann, wenn sich die Poren öffnen, um Kohlendioxid aufzunehmen, auch Wasser verdunstet. Gerade Wüstenpflanzen befinden sich deshalb permanent in einem Abwägungsprozess: Nehmen sie Kohlendioxid auf, um weiter zu wachsen, oder verzichten sie darauf, um das kostbare Wasser zurückzuhalten? Jede Wüstenpflanze entscheidet laut Riederer ein wenig anders.
Dattelpalmen sind Wassersparer

Ganz anders verhält sich die
Dattelpalme. Die zweite Würzburger Versuchspflanze lebt, ebenso wie die Koloquinte, in Oasen und Wadis – das sind Flusstäler, die über längere Zeiträume ausgetrocknet sind. „Sie ist im Gegensatz zur Koloquinte ein Wassersparer“, sagt Riederer.
Die Würzburger Biologen Markus Riederer und Amauri Bueno fanden heraus, warum die Blätter der Dattelpalme selbst bei Temperaturen von über 50 Grad nicht vertrocknen
Die Würzburger Biologen Markus Riederer (links) und  Amauri Bueno fanden heraus, warum die Blätter der Dattelpalme selbst  bei Temperaturen von über 50 Grad nicht vertrocknen.
Foto: Universität Würzburg
Weil die Palme nicht „schwitzt“, erreichen ihre Blätter mitunter enorm hohe Temperaturen: „Sie können elf Grad Celsius über der Lufttemperatur liegen.“ Wie kann es sein, dass die Blätter bei diesen hohen Temperaturen nicht austrocknen? Das hat der JMU-Biologe Amauri Bueno in seiner Doktorarbeit erforscht.
Die Würzburger Versuchspflanze Koloquinte (Citrullus colocynthis), eine wilde Verwandte der Wassermelone, öffnet bei Hitze ihre Poren, um durch die entstehende Verdunstungskälte die Blätter zu kühlen
Die Wüstenpflanze Koloquinte bringt melonenähnliche Früchte hervor. F
oto: Markus Riederer / Universität Würzburg
Koloquinten sind Wasserverschwender

Die Würzburger Versuchspflanze
Koloquinte  (Citrullus colocynthis), eine wilde Verwandte der Wassermelone, öffnet  bei Hitze ihre Poren, um durch die entstehende Verdunstungskälte die  Blätter zu kühlen. Sie „schwitzt“ gewissermaßen. „Damit ist sie ein Wasserverschwender“, erläutert der Professor für Ökophysiologie.
 
Das kann sich die Pflanze deshalb leisten, weil sie eine sehr lange  Pfahlwurzel hat. Damit kann sie tief im Wüstenboden befindliche  Wasserquellen erschließen. Wie schon Otto Ludwig Lange bei seinen  Experimenten in der Wüste herausfand, schafft es die Koloquinte, dass  ihr Blatt bis zu 15 Grad kühler ist als die Wüstenluft. Die Koloquinte, mit der Otto Ludwig Lange 1956 experimentierte, ist bis heute erhalten. Sie befindet sich im Würzburger Herbarium.
Getrocknete und gepresste PflanzenteileHochtemperaturwachs fürs Überleben

Seine im Journal of Experimental Botany  publizierten Ergebnisse kreisen um das Wachs, das in der Haut von  Pflanzen eingebettet ist und für deren Dichtigkeit sorgt. Dieses Wachs  unterscheidet sich zwischen der Koloquinte und der Dattelpalme ganz  deutlich, stellte Bueno nach aufwändigen Laboruntersuchungen fest.
 
Die Dattelpalme besitzt ein Wachs, das hohe Temperaturen aushält,  und hat deshalb selbst bei extremen Temperaturen eine wesentlich  wasserundurchlässigere Haut als die Koloquinte. Nur wegen dieses  speziellen Wachses kann die Palme in der Wüste überleben. Wäre das Wachs  chemisch ein wenig anders zusammengesetzt, würden die Blätter vor allem  bei hohen Temperaturen sehr schnell vertrocknen.
 
Das herauszufinden, war laut Riederer höchst anspruchsvoll, weil es  sich bei dem in die Haut eingelagerten Wachs chemisch gesehen um etwas  sehr Kompliziertes handelt. Noch sind auch nicht alle Geheimnisse  gelüftet. So verstehen die Biowissenschaftler immer noch nicht, warum  die eine Pflanzenhaut mehr, die andere weniger Wasser durchlässt.

Interessant für die Pflanzenzüchtung

Die aktuellen Erkenntnisse aus der JMU können für die  Pflanzenzüchtung von Bedeutung sein. Will man Nutzpflanzen dort anbauen,  wo es seit jeher sehr heiß und trocken ist oder wo es durch den  Klimawandel heißer werden könnte, muss man bei der Suche nach geeigneten  Pflanzensorten auf die Pflanzenhaut achten. Wenn Pflanzen mit  bestimmten Kutikulawachsen zur Zucht ausgewählt werden, haben sie an  heißen Standorten eine bessere Überlebenschance.

Publikation
„Effects of temperature on the cuticular transpiration barrier of two  desert plants with water-spender and water-saver strategies“. Amauri  Bueno, Ahmed Alfarhan, Katja Arand, Markus Burghardt, Ann-Christin  Deininger, Rainer Hedrich, Jana Leide, Pascal Seufert, Simona Staiger  und Markus Riederer. Journal of Experimental Botany, Vol. 70, No. 5, pp.  1613–1625, 2019. doi:10.1093/jxb/erz018
(JMU)
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