Ameisenbäume und ihre „Privatarmeen“

Ameisen bevölkern das Innere eines Stängels. Foto: Daniela Guicking
(24.4.2019) Biologen der Universität Kassel untersuchen
die faszinierende Symbiose von Ameisenbäumen und Ameisen in Südostasien.
Die Ergebnisse werfen ein Licht auf eine der spannendsten bekannten
Tier-Pflanze-Symbiosen die es in der Natur gibt. Nun fördert die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Arbeit der Kasseler
Wissenschaftler für weitere drei Jahre.
Dr. Daniela Guicking und Prof. Dr. Kurt Weising vom Fachgebiet Systematik und Morphologie der Pflanzen an der → Universität Kassel untersuchen die Evolution der südostasiatischen Ameisenbäume der Gattung Macaranga. Dabei nutzen sie neue Methoden der DNA-Sequenzierung und wenden sie erstmals auf diese Pflanzen an.
Das Verfahren erlaubt Rückschlüsse auf Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Macaranga-Arten
und deren evolutionäre Entwicklung, aber auch auf das Zusammenspiel
zwischen Pflanze und Tier. Ziel ist es, einen kompletten Stammbaum und
eine Evolutionsgeschichte der südostasiatischen Ameisenbäume zu
rekonstruieren.

Ein Ameisenbaum der Art Macaranga indistincta. Quelle: Uni Kassel
Macaranga-Bäume wachsen als Pionierpflanzen an den Rändern oder lichten Stellen des Regenwaldes. Von den
rund 300 Arten der Gattung leben etwa 30 in enger Beziehung mit
Ameisenvölkern. Die Ameisen wohnen in den hohlen Stämmen und Zweigen der
Bäume, die bereits als Jungpflanzen von den begatteten
Ameisenköniginnen kolonisiert werden. Die Pflanzen produzieren dabei
eiweiß- und fettreiche Nährkörperchen, die den Ameisen als Nahrung
dienen. Zusätzlich halten sich die Ameisen Herden von Schildläusen, die
den Saft der Wirtspflanze saugen und von den Ameisen gemolken werden.
Ameisen vertreiben Feinde der Pflanze
Im Gegenzug verteidigen die Tiere ihre Wirtspflanze, indem sie Fraßfeinde (beispielsweise Insekten) angreifen,
abgelegte Insekteneier entsorgen und Kletterpflanzen wegbeißen, die die
Wirtspflanze zu überwachsen drohen. „Die Pflanzen unterhalten also regelrechte Privatarmeen“, sagt Professor Weising, Leiter des Fachgebiets. Tier
und Pflanze sind absolut aufeinander angewiesen: Ohne die Pflanze geht
das Ameisenvolk ein, aber auch die Pflanze kann nicht auf Dauer ohne die
Ameisen überleben.
Bisherige Erkenntnisse der Kasseler Forschungsgruppe deuten darauf
hin, dass im Laufe der Evolution Ameisenarten die Macaranga-Art, die
ihnen als Wirtspflanze dient, häufig wechselten – eine Baumart und ihr
symbiotischer Partner durchliefen Entwicklungen also nicht
notwendigerweise gemeinsam. Man spricht in diesem Fall von einer
Co-Adaptation (im Gegensatz zur Co-Speziation, also einer gemeinsamen
Fortentwicklung).
In dem dreijährigen Projekt will Daniela Guicking außerdem
herausfinden, wie sich die Pflanzen im Pleistozän ausbreiteten. Während
der pleistozänen Kaltzeiten waren die indonesischen Inseln und die
malaiische Halbinsel aufgrund des gegenüber heute deutlich niedrigeren
Meeresspiegels wiederholt miteinander verbunden. „Eine interessante
Forschungsfrage ist, ob der Sundaschelf von Vorläufern der heutigen
Ameisenbäume bewachsen war und es dadurch einen genetischen Austausch
zwischen Populationen gegeben hat, die heute durch die See getrennt
sind“, so Guicking. Die DFG finanziert das Projekt mit rund 200.000 Euro.
(Uni Kassel / kes)
(Uni Kassel / kes)