55000 Bäume für einen klimafitten Wald: Der letzte Setzling wurde gepflanzt

Eines von insgesamt 55000 Bäumchen: Eine Tanne in Champéry. Foto: Kathrin Streit
(5.7.2023) Welche Baumarten werden mit dem Klimawandel gut wachsen und wo? Ein Langzeitprojekt des BAFU, der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ↗, der Kantone und der Forstdienste geht dieser Frage auf 57 Waldflächen in der ganzen Schweiz nach. Das letzte der 55000 Bäumchen wurde am 30. Juni in Champéry (VS) im Rahmen einer Zeremonie gepflanzt.
In der Schweiz steigen die Temperaturen und die Sommer werden trockener. Auch der Wald bekommt die Auswirkungen zu spüren. Durch die Trockenheit geschwächt, sind die Bäume anfälliger für Schäden und Krankheiten. In vielen Wäldern werden andere Baumarten besser wachsen als die, die jetzt dort stehen. Die Mischung der Arten wird sich langfristig verändern.
In den letzten drei Jahren haben Wissenschaftler der WSL gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt BAFU, den kantonalen Forstdiensten, Forstreviere und Baumschulen ein einzigartiges Netzwerk von Versuchspflanzungen geschaffen. Kleine Bäume aus 18 Arten wurden auf 57 Waldflächen in allen Höhenlagen und Regionen der Schweiz gepflanzt. Die Bäume werden über mehrere Jahrzehnte hinweg beobachtet, um Informationen über die Eignung dieser Arten für den Klimawandel zu liefern.
Die letzte dieser Versuchspflanzungen mit 864 Bäumen wurde im Juni 2023 vom Forstrevier Dents-du-Midi auf einer Waldfläche in der Gemeinde Champéry angelegt. Am 30. Juni 2023 pflanzten Vertreterinnen und Vertreter des BAFU, der Kantone, der Waldeigentümer, der Gemeinde und der WSL dort im Rahmen einer Zeremonie gemeinsam den letzten Baum.
Klimawandel zu schnell für natürliche Anpassung
Die Waldfläche von Champéry liegt in einer Höhe, die für einen Fichten- und Tannenwald günstig ist. Gegen Ende dieses Jahrhunderts werden dort jedoch ähnliche klimatische Bedingungen erwartet, wie sie heute einen Buchenmischwald begünstigen. Für die vorherrschenden Fichten wird es dann zu heiß und zu trocken sein. Aber unter den natürlich nachwachsenden Bäumen fehlen die zukunftsträchtigen Baumarten. «Die Gemeinde Champéry ist durch ihr Forstrevier für Klimafragen sensibilisiert und fühlt sich für die gute Gesundheit ihrer Wälder verantwortlich», sagt François Vaudan, Revierförster bei der Triage Forestier des Dents du Midi. «Im Illieztal, auch das Tal des Wassers genannt, werden die Trockenperioden länger. Das Fichtensterben wird immer deutlicher. Daher ist es wichtig, dass wir die Auswirkungen des Klimas auf diesen Wald, der uns schützt, untersuchen können und unter den bestmöglichen Bedingungen einen Übergang zu einem zukunftsfähigen Wald finden.»

Pflanzen in Champéry (VS) das letzte von 55'000 Bäumchen: Kathrin Streit (WSL), Jean-Christophe Clivaz (Kanton VS), Robert Jenni (BAFU) und François Vaudan (Revierförster) (von links nach rechts).
Foto: Sophie Zurbuchen
Foto: Sophie Zurbuchen

Blick über die Testpflanzungsfläche Champéry auf 1550 m.ü.M.
Foto: Kathrin Streit
Foto: Kathrin Streit
Dies ist einer der Wälder in der Schweiz, in denen der Klimawandel schneller voranschreitet als die natürliche Anpassungsfähigkeit des Ökosystems. Die Biodiversität und die Leistungen des Waldes wie Schutz vor Naturgefahren, Holzproduktion, Erholungsraum und Kohlenstoffspeicherung sind hier in Gefahr. Gemäß Art. 77 der Bundesverfassung hat der Bund dafür zu sorgen, dass der Wald seine Funktionen erfüllen kann. «Deshalb engagiert sich das BAFU in diesem innovativen Forschungsprojekt», sagt Robert Jenni, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sektion Waldleistungen und Waldpflege beim BAFU. «Wir brauchen Baumarten, die an die lokalen Bedingungen und das künftige Klima angepasst sind. So können Waldleistungen aufrechterhalten oder nach Schäden so schnell wie möglich wiedererlangt werden.» Es geht darum, die von Wissenschaftlern entwickelten Empfehlungen zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel zu befolgen.
Aber welche Arten von Waldbäumen können den zukünftigen Bedingungen an einem bestimmten Ort standhalten? Und könnten Arten, die gegen Ende des 21. Jahrhunderts in einem Wald angepasst sein könnten, bereits heute dort wachsen? Solche Fragen werden die Forschenden in den nächsten 30 bis 50 Jahren untersuchen. «Für die Forstpraxis ist es zwingend notwendig zu wissen, welche Baumarten in der natürlichen Verjüngung gefördert oder zusätzlich gepflanzt werden können, damit der Wald weiterhin gedeiht und die erwarteten Leistungen erbringt. Unser Projekt liefert dazu die nötigen Informationen», sagt Kathrin Streit, Projektleiterin an der WSL.

Auch gebietsfremde Baumarten werden getestet, so wie diese Douglasie. Foto: Kathrin Streit

Testpflanzung Riddes (VS). Foto: WSL
Kanton Wallis besonders betroffen
Die Versuchsplantage in Champéry ist eine von fünf Waldflächen im Kanton Wallis, die einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung von Baumartenempfehlungen für die Forstpraxis leisten. Der Kanton beteiligt sich in erheblichem Umfang an der Finanzierung der Einrichtung und Pflege der Flächen. «Das Wallis ist vom Klimawandel und seinen Folgen, die wir seit Mitte der 1990er Jahre beobachten, besonders betroffen», sagt Jean-Christophe Clivaz, Chef der Dienststelle für Wald, Natur und Landschaft des Kantons Wallis. «Angesichts seiner topografischen und klimatischen Vielfalt trägt das Wallis eine große Verantwortung dafür, die Funktionen des Waldes aufrecht zu erhalten, insbesondere beim Schutz vor Naturgefahren und dem Erhalt der Biodiversität. Die Waldbewirtschafter brauchen konkrete Antworten auf die tagtäglichen Herausforderungen, und wir hoffen, dass dieses Projekt dazu beitragen kann, diese so schnell wie möglich zu liefern.»
( WSL/BAFU/Kanton Wallis/Gemeinde Champéry)