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VTA als Stand der Technik für Baumkontrollen - Natur und Recht

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VTA als Stand der Technik für Baumkontrollen
VTA (Visual Tree Assessment) - ein seit vielen Jahren erprobtes und praxisgerechtes Bewertungsverfahren
Foto: Kaseleht, Pixabay/kes
(14.5.2013) Die Visual Tree Assessment (VTA)-Methode(*)  ist eine systematische Baumkontrollmethode. Sie interpretiert die Körpersprache der Bäume, hilft deren Warnsignale zu deuten, Defekte zu  bestätigen und zu vermessen und dies alles mit Versagenskriterien zu  bewerten.

Die VTA-Methode ist ein seit vielen Jahren erprobtes und praxisgerechtes Bewertungsverfahren für eine differenzierte Beurteilung  der Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen. Entsprechend dem Axiom konstanter Spannung, nach dem ein Baum eine gleichmäßige Spannungsverteilung auf all seinen Oberflächen anstrebt und Sollbruchstellen zu vermeiden trachtet, versucht er, von Defekten verursachte Spannungserhöhungen durch verstärktes Dickenwachstum  abzubauen („Reparaturwachstum“). Die auf diese Weise gebildeten  Veränderungen sind sichtbare Symptome, die als Warnsignale in der Körpersprache der Bäume auf die Schädigung hinweisen.

Die VTA-Methode  ordnet den Symptomen die verursachenden Defekte zu. Diese Rückschlüsse wurden mehrfach abgesichert, in dem sie mithilfe computergestützter Verfahren rechnerisch nachgebildet und auch in Feldversuchen bestätigt  wurden.
Im folgenden Beitrag wird aufgezeigt, dass die weltweit verbreitete  VTA-Methode rechtlich sowohl vor den Gerichten als auch in der nationalen und internationalen Normgebung akzeptiert ist und damit als Stand der Technik bei Baumkontrollen angesehen werden kann.

I. Die rechtliche Anerkennung von VTA
 
Die Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen hat der Bundesgerichtshof in seinem grundlegenden Urteil vom 21.01.1965 (NJW  1965, 815 und VersR 1965, 475) festgelegt. Dieses Urteil ist richtungsweisend für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume und wurde im Laufe der Jahre durch unzählige weitere Gerichtsentscheidungen konkretisiert. Viele dieser Urteile bis hin zu ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen basieren auf der VTA-Methode, die mehr als jede andere Methode der Baumkontrolle Eingang  in die Rechtsprechung gefunden hat.
Das OLG Hamm hat in seinem Urteil vom 24.09.2004 (Az.: 9 U 158/02) ausdrücklich klargestellt, dass bei Anwendung der VTA-Methode die an die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen grundsätzlich erfüllt werden. Gemäß dem Urteil des OLG Hamm vom 30.03.2007 (Az.: 13 U 62/06) ist VTA schon „seit langem in der  Rechtsprechung anerkannt“.

Auch in der Rechtsprechung ausländischer Gerichte spielt die  VTA-Methode eine Rolle, wie durch das nachfolgend dargestellte Urteil des High Court of Justice, London, verdeutlicht werden soll, bei dem es  um einen Astabbruch auf einem Waldweg ging. Konkret hatte der High Court  of Justice in London in seinem Urteil vom 27.07.2011 (Az.: HQ10X01869)  über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Am 26.06.2007 war eine Gruppe Schulkinder mit ihrem Lehrer in einem Waldgebiet der Beklagten auf einem Wanderpfad unterwegs, als es zu regnen begann und sich die Gruppe unter einer 160-180 Jahre alten Buche unterstellte. Ohne Vorwarnung brach ein 21,7 m langer und ca. 1 ½ bis 2 t schwerer Starkast aus rd. 9 m Höhe ab und fiel auf die Gruppe. Eines der Kinder verstarb, drei andere erlitten schwerste Verletzungen. Der Baum war zuletzt am 02.01.2007 einer eingehenden Sichtkontrolle unterzogen worden. (**)

Das Gericht wies die Klage der drei Kinder sowie der Mutter des verstorbenen Kindes ab, da der Beklagten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden konnte.
Bezüglich der Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht finden sich im Urteil Aussagen, die denen deutscher Urteile ähnlich sind:

Bäume können nicht vollständig sicher sein. Entscheidend ist daher, ob bei der  Baumkontrolle die Sorgfalt angewendet wurde, die bei den gegebenen Umständen erforderlich und von einem entsprechend geschulten Baumpfleger zu erwarten war.

Die Baumkontrolleure müssen nur äußerlich erkennbare Defekte identifizieren können. Weitergehende Untersuchungen sind in der Regel nicht notwendig, es sei denn der Baum weist Defektsymptome auf.

Die Kontrolle von Bäumen wird vom Boden aus durchgeführt nach der von Herrn Prof. Mattheck begründeten VTA-Methode („All agree that inspection of trees for safety  purposes is carried out from ground level – a system called visual tree  assessment or VTA, first defined by Professor Mattheck“, Rn. 21; in Rn  36 wird dann auch noch das Buch “Die Körpersprache der Bäume” – “The  body language of trees“ von Prof. Mattheck zitiert).
Vorliegend war die Ursache des Astbruches, dass auf der Astoberseite  im Bereich der Zwieselnaht eine Delle war, beidseitig berandet von Zuwachswülsten als Reaktion auf die Kraftflussumlenkung um die Delle. Da die Delle vom Boden aus nicht erkennbar war und der Zwiesel allein keinen Anlass zur näheren Untersuchung hatte geben müssen, da der Baum in einem Bereich des Waldes stand, der nur selten begangen wurde (im  Schnitt gingen 14 Personen am Tag am unfallursächlichen Baum vorbei), konnte der Beklagten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nachgewiesen werden. Die Baumkontrolleure, die den Baum am 02.01.2007 einer Sichtkontrolle unterzogen hatten, hatten keine Fruchtkörper oder Anzeichen von Schwäche an den Astanbindungen erkennen können. Die  Baumkontrolleure hatten bei der Kontrolle des Baumes die erforderliche  Sorgfalt angewandt, die man vernünftigerweise erwarten konnte, und sie waren von der Beklagten auch hinreichend geschult worden.
Auch wenn das Urteil für Streitfälle vor deutschen Gerichten keine unmittelbare Wirkung entfaltet, ist es ein weiterer Beleg für die rechtliche Akzeptanz der VTA-Methode,  die nicht nur in der deutschen Rechtsprechung, sondern auch bei  ausländischen Gerichten als die Methode der Baumkontrolle angesehen  werden kann.

II. VTA in der deutschen und internationalen Normgebung
 
VTA ist nicht nur in der Praxis und vor Gericht anerkannt, sondern hat auch in zahlreichen nationalen und internationalen Regelwerken Eingang gefunden.
1) Deutsche Regelwerke (beispielhafte Aufzählung):

Die „Hinweise zur  Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten der Thüringer  Landesforstverwaltung auf forstfiskalischen Grundstücken“ i.d.F. vom  24.01.2007 sehen die VTA-Methode als geeignete Methode für die  Sichtkontrolle vor.

Die Berliner Forsten haben seit 2008 eine VTA-gestützte Dienstanweisung..

Die Dienstanweisung zur  Baumkontrolle und Baumpflege im Bereich der Stadt Bad Homburg v.d. Höhe  vom 01.02.2009 sieht in Ziffer 2.3 vor, dass „Grundlage der Kontrollen  zur fachgerechten Einschätzung von Schadensmerkmalen das  Visual-Tree-Assessment ist“.

Der Leitfaden zur  Verkehrssicherungspflicht des Müritz-Nationalparks (Stand Februar 2010)  sieht vor, dass die Beurteilung der Bäume nach den Regeln von VTA  erfolgt.

Die Berliner Senatsverwaltung  für Stadtentwicklung hat am 18.01.2011 eine Verwaltungsvorschriften  über die Kontrolle der Verkehrssicherheit von Bäumen erlassen, in der in  Ziffer 2.1 Absatz 3 Folgendes bestimmt wird: "Die Baumkontrolle ist  nach dem gegenwärtigen Stand der Technik, Erfahrung und Fachkunde  durchzuführen. Sie hat nach den Grundsätzen der Visual-Tree-Assessment -  (VTA)-Methode zu erfolgen."

Gemäß der Dienstanweisung der  Stadt Wolfenbüttel zur Baumkontrolle vom 10.04.2012 sind die  Regelkontrollen auf der Grundlage der VTA-Methode nach dem gegenwärtigen  Stand der Forschung, Technik, Erfahrung und Fachkunde durchzuführen.

In den Hinweisen des  Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz  Baden-Württemberg, Forst BW, betreffend die Verkehrssicherungspflichten  im Wald vom 01.06.2012 wird die VTA-Methode als Stand der Technik  angesehen.

Die Betriebsanweisung  „Verkehrssicherung“ für Bäume und Baumbestände im Zuständigkeitsbereich  des SaarForst Landesbetriebs vom Dezember 2012 sieht vor, dass zu  kontrollierende Bäume einer regelmäßigen fachlichen Inaugenscheinnahme  nach VTA unterzogen werden.
2) Internationale Regelwerke:

Die europäische  Norm EN 15567-1:2007 „Sport- und Freizeitanlagen - Seilgärten“ bezieht  sich bei der Beurteilung von Bäumen an erster Stelle auf die  VTA-Methode.

Im Regelwerk der  Internationalen Gesellschaft für Baumkontrolle, Bezirk Italien (ISA -  International Society of Arboriculture, Sezione Italiana) für die  Beurteilung der Stabilität von Bäumen ist VTA als die zuverlässigste,  erfahrenste und allgemein anerkannteste Technik aufgeführt..

Das Britische Regelwerk „BS  3998:2010 Tree work. Recommendations“ nimmt Referenz auf die  „Aktualisierte Feldanleitung für Baumkontrollen mit Visual Tree  Assessment“.

Gemäß dem Leitfaden „A Guide to the Common Trees of Singapore“ werden die Bäume in Singapur nach der VTA-Methode kontrolliert.
3) VDI-Richtlinie

Eine wesentliche Basis der VTA-Methode ist das "Axiom konstanter  Spannung", also die Regel von der gerechten Lastverteilung, nach der der  Baum lebenslang strebt (s.o.). Diese biologische  Konstruktionsvorschrift haben nun auch die Ingenieure zum Inhalt einer  VDI-Richtlinie gemacht: VDI-Richtlinie 6224 "Bionische Optimierung" von  August 2012.

III. Fazit
Die VTA-Methode ist in der Rechtsprechung – sowohl national als  auch international – rechtlich anerkannt. Darüber hinaus ist VTA auch
Grundlage für zahlreiche deutsche und ausländische Normen und Regelwerke  für die Kontrolle von Bäumen. Verantwortliche für Straßen- und  Waldbäume haben somit eine sowohl rechtlich sichere als auch fachlich  anerkannte und weltweit verbreitete Methode der Baumkontrolle zur Hand,  die durch ihre Verständlichkeit überzeugt und eine fachgerechte Pflege  der Bäume zu deren Erhaltung einerseits und zum Schutz vor eventuellen  Gefahren andererseits ermöglicht und als Stand der Technik bei  Baumkontrollen angesehen werden kann.
Ass. jur. Oliver Wittek, Kronau  

Fußnoten:
(*) MATTHECK: Stupsi erklärt den  Baum, 4. Auflage; MATTHECK: Aktualisierte Feldanleitung für  Baumkontrollen mit Visual Tree Assessment
(**) Fotos des Unfallortes sind im Internet als → PDF  (ca 3 mb) aufrufbar.
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