Fliegenpilz-Glücksfall für Birken und Fichten - Baum und Natur

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Fliegenpilz - Glücksfall für Birken und Fichten
Fliegenpilz (Aminata muscaria)
Fliegenpilze sind im Herbst in Fichten- und Birkenwäldern anzutreffen. Foto:  Kevin Bischof auf Pixabay
(28.9.2023) Zur Pilzsaison im Herbst sticht er selbst Laien direkt ins Auge. Der Fliegenpilz ist Giftpilz, Kultpilz und Glückspilz in einem. Der oberirdische Fruchtkörper ist nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Bodenoberfläche bildet der Pilz ein riesiges Netz aus feinen Fäden.

Der Fliegenpilz (Aminata muscaria) zählt zu den bekanntesten Pilzen in unseren Wäldern. Der rote Hut mit den mit weißen Punkten und einem Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern ist von Weitem sichtbar. Anfangs ist er kugelig und gelblich, später orange bis rot, gewölbt mit einem nach oben gebogenem Rand. Die weißen Punkte sind Reste der Hülle, die den jungen Pilz umschließt. Sein Stiel ist gelblich bis weiß. Von Juli bis Oktober hat der Fliegenpilz Saison.

Junge Fliegenpilze
Junge Fliegenpilze haben eine kugelige Form. Die weißen Flecken sind Reste einer Hülle, die den Schirm zuvor überzogen hat. Foto: SILKE auf Pixabay

Auffälliges Äußeres ist Warnung

„Vor Kostversuchen wird gewarnt“, so lautet eine Empfehlung in einer Anleitung für Sammler. Denn der Fliegenpilz zählt zu den Giftpilzen. Grund dafür ist die enthaltene Ibotensäure, die sich beim Trocknen in das stärker wirkende Muscimol umwandelt. Bei höheren Verzehrsmengen verursacht es Lähmungen, Krämpfe und Delirium. Todesfälle sind aber im Gegensatz zum viel giftigeren Knollenblätterpilz unwahrscheinlich. Wurde der Fliegenpilz unabsichtlich mit dem essbaren Perlpilz verwechselt, können Vergiftungen durch die Einnahme von medizinischer Kohle oder durch Magenentleerung verhindert werden.

Rentiere schätzen den Pilz

In geringeren Konzentrationen führt Muscimol hingegen zu einem rauschähnlichen Zustand: Überempfindliche Sinneswahrnehmungen, Realitätsverlust oder Halluzinationen sind die Folgen. Das ist offensichtlich auch Rentieren in Finnland und Sibirien bekannt, die den Pilz gerne fressen. Möglicherweise inspiriert durch die Vierbeiner nutzen die Ureinwohner und ihre Schamanen seit Jahrtausenden den Pilz als Ekstase auslösendes Rauschmittel für kultische Rituale. Vor der Verbreitung des Alkohols hatte es wie bei den nordamerikanischen Indianern und den südamerikanischen Maya einen hohen Stellenwert.

Rentiere bei der Futtersuche in tiefem Schnee
Rentiere suchen gezielt nach Fliegenpilzen und fressen sie. Bei uns Menschen löst das enthaltene Gift Halluzinationen und in höheren Konzentrationen Lähmungen aus. Foto: Natalia Kollegova/Pixabay

Fliegenpilze kommen vor allem in der gemäßigten nördlichen Klimazone sowie in höheren Lagen subtropischer Standorte vor. Sie bevorzugen saure Böden, die zum Beispiel aus Grauwacke, Sandstein, Granit oder Gneis entstanden sind. Weil sie ähnliche Wachstumsbedingungen wie Steinpilze benötigen, sind die weniger auffälligen, aber bei Sammlern sehr beliebten Speisepilze oft nicht weit entfernt.

Win-win-Beziehung

Fliegenpilze sind besonders in Fichten- und Birkenwälder zu finden. Das liegt daran, dass der Pilz mit diesen Pflanzen eine regelrechte Zweckgemeinschaft, also eine Symbiose eingeht. Die feinen unterirdisch wachsenden Pilzfäden (Hyphen) durchziehen den Wurzelraum der Bäume. Sie können Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, aber auch Wasser sehr effizient aufnehmen und liefern einen Teil an die Baumwurzeln. Im Gegenzug erhalten sie Zucker, weil sie selbst keine grünen Blätter haben und deshalb keine Photosynthese betreiben können. Der Austausch erfolgt an den Wurzelspitzen, in die der Pilz eindringt. Eine Seite profitiert von der anderen.

Die feinen unterirdisch wachsenden Pilzfäden (Hyphen) durchziehen den Wurzelraum der Bäume
Die unterirdischen Pilzhyphen bilden ein dichtes Geflecht. Sie stehen in Verbindung mit Baumwuzeln, liefern ihnen Nährstoffe und Wasser und erhalten Zucker. Foto: Katrin Schulz/Pixabay

Weder Pflanze noch Tier

Pilze kann man daher weder den Pflanzen noch den Tieren zuordnen. Die Ortsgebundenheit und die Zellstruktur mit festen Zellwänden spricht für die Zugehörigkeit zu den Pflanzen, das Unvermögen zur Energiegewinnung durch Photosynthese für die Tiere.
Der auffällige oberirdische Fruchtkörper ist also nur die „Spitze des Eisbergs“. Dort werden die Sporen gebildet, mit denen sich der Pilz verbreitet. Alles andere passiert unter der Erdoberfläche. Ein intensives Pilzgeflecht sorgt aber auch für eine bessere Bodenstabilität, Rutschungen nach starken Regenfällen kommen deutlich seltener vor.

Pilzgift wirkt auf Fliegen

Für den Namen Fliegenpilz gibt es verschiedene Deutungsansätze. Früher wurde der Pilz genutzt, um Fliegen zu bekämpfen. Dazu legte man ihn in Milch ein, die sie anlockt. Nach der Aufnahme der Flüssigkeit setzt eine Wirkung wie nach K.o.-Tropfen ein. Die Tiere sind zumindest betäubt und können dann beseitigt werden. Ein anderer Erklärungsansatz zielt auf die rauschauslösende Wirkung des Muscimols ab, das einem, Schilderungen zufolge, das Gefühl des Fliegens verleihen kann.

Neben dem Hufeisen oder dem vierblättrigen Kleeblatt wird der Fliegenpilz häufig als Glückssymbol angesehen. Er steht mit seinem markanten Äußeren stellvertretend für andere Pilze. Für sie ist es typisch, dass sie immer wieder unerwartet aus dem Boden schießen. Ebenso verhält es sich mit Menschen, die oft und ohne es zu erwarten Glück haben – sogenannte Glückspilze.
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