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Wissenschaft will Bäume in Sanssouci retten
Arboristik-Baumpflege-Baumschutz
Veröffentlicht in Baumpflege · Sonntag 07 Nov 2021


(7.11.2021) Mit einem innovativen  Ansatz will ein Potsdamer Wissenschaftler*innen-Team die durch den  Klimawandel gefährdeten Bäume in den historischen Parks und Gärten des  Landes Brandenburg retten. Ihre Idee ist es, durch Injektionen von  stärkenden Huminstoffen in den Wurzelbereich angegriffener Bäume das  Wasserbindevermögen zu steigern, das aktive Boden-Mikrobiom zu  unterstützen und somit die Nährstoffaufnahme der Bäume zu verbessern.  Für die Forschung in diesem Bereich wird das Ministerium für  Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg 250.000 Euro  als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen.

Brandenburger*innen  und Touristen*innen lieben die hiesigen wunderschönen Gärten und Parks.  Allerdings mussten sie in den vergangenen Jahren auch miterleben, wie  stark der zum Teil unersetzliche Baumbestand unter den Folgen des  Klimawandels leidet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Lange  Trockenzeiten mit Hitzerekorden im Sommer, ein Absinken des  Grundwasserspiegels und der sandige Boden sorgen dafür, dass die Bäume  zunehmend geschwächt werden und schließlich absterben, zum Teil noch  durch Schädlingsbefall beschleunigt. Experten*innen erwarten, dass sich  dieser Trend fortsetzen wird, zumal Bewässerungswasser auch nicht  unbegrenzt zur Verfügung steht.

In einem  Forschungsprojekt haben sich wissenschaftliche Einrichtungen des Landes  Brandenburg, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten  Berlin-Brandenburg und die Freie Universität zu Berlin  zusammengeschlossen, um zu einer nachhaltigen Lösung zur Rettung der  Bäume beizutragen. Im Fokus stehen dabei Huminstoffe.
In der  Natur entstehen Huminstoffe in Folge des langsamen Abbaus von  Pflanzenresten durch Bodentiere, Pilze und Mikroorganismen. Das  Adsorptions- und Wasserhaltevermögen dieser natürlichen organischen  Verbindungen übersteigt dasjenige von Tonmineralen deutlich.
Huminstoffe  spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Bodenqualität  in Bezug auf Wasserhaltevermögen, pH- und Redox-Pufferung und sie  liefern zugleich wertvolle Nährstoffe für die Pflanzen. Damit wirken  Huminstoffe als eine Art pflanzlicher Biostimulantien, die helfen, die  Resilienz der Pflanzen gegenüber abiotischen und biotischen Stressoren  zu verbessern.

Handelsübliche  Huminstoffe werden bislang in einem technischen Verfahren durch  chemische Extraktion aus Torf oder Braunkohle gewonnen. Eine deutlich  nachhaltigere Lösung bietet ein Verfahren zur beschleunigten  Kompostierung bzw. Humifizierung, das am Max-Planck-Institut für  Kolloid-und Grenzflächenforschung (MPIKG) entwickelt wurde. Mit Hilfe  eines chemisch-thermischen Prozesses, der hydrothermalen Humifizierung,  lassen sich mit hohem Wirkungsgrad unter nahezu vollständigem Erhalt des  im Pflanzenmaterial gebundenen Kohlenstoffs aus Restbiomasse  Huminstoffe gewinnen. Diese sogenannten ‚künstlichen‘ Huminstoffe (KHS)  aus regenerativer Biomasse entsprechen in ihrer Wirkung den natürlichen  Huminsäuren, wie Studien aus China belegen.

„Wir  waren selber überrascht von den ersten, sehr positiven Ergebnissen. Das  neue Verfahren sollte die natürliche Kompostierung zuerst nur technisch  beschleunigen und den Umgang mit manchen biologischen Reststoffen  hygienischer machen, aber die Wirkung unserer nachhaltigen Produkte ist  offensichtlich nicht von den bekannten Kohle- oder Torfextrakten  unterscheidbar“, so Prof. Dr. Markus Antonietti, Direktor des MPIKG.  „Dabei nutzen und fixieren wir fast den gesamten Kohlenstoff-Pool der  biologischen Restmassen und machen so einen großen Schritt in Richtung  eines CO2-neutraleren Brandenburgs.“

In der aus  Mitteln des Landes Brandenburg finanzierten Anschubphase (Nov 2021 bis  Dez 2022) sollen erste Versuche durchgeführt werden und ein  Forschungsantrag zur Förderung auf überregionaler Ebene erstellt werden.  Die experimentellen Arbeiten in dieser ersten Phase umfassen Studien  zur hydrothermalen Humifizierung von Biomasseabfällen wie Grasschnitt  oder Gärreste aus Biogasanlagen bis hin zu einer ersten Anwendung der  KHS in einem der Gärten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten  Berlin-Brandenburg.

„Wir freuen uns sehr über  die fundierte Expertise und Zusammenarbeit mit dem Potsdamer  Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie und dessen  Partner*innen!“, so Prof. Dr. Michael Rohde, Leiter der Abteilung Gärten  der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG).  Er sieht Vorteile: „Die Nutzung des Biomassekreislaufs trägt zum  Klimaschutz bei und innovative Bodenverbesserungen dienen der Bewahrung  wertvoller Bäume. Mit der wissenschaftlichen Begleitung werden unsere  Parks zu Laboren modellhafter Klimaanpassungsstrategien.“

Die  Forschungspartner bringen ihre vielfältige Expertise in die  Zusammenarbeit ein: das Max-Planck-Institut für Kolloid- und  Grenzflächenforschung (MPIKG) im Bereich der Synthese und  Charakterisierung künstlicher Huminsäuren und Fulvinsäuren aus  Biomasse-Seitenströmen, die Freie Universität Berlin (FUB) im Bereich  der Stressphysiologie von Bäumen, das ATB an der Schnittstelle von  Biologie und Technik u.a. im Bereich der hydrothermalen Carbonisierung  und des Bodenmikrobioms.

„Unser eigentliches  Terrain ist die Landwirtschaft, wo wir mit unserer Forschung zum einen  durch angepasste Managementstrategien das Klima schützen wollen, aber  auch mit Hilfe technischer Innovation die landwirtschaftliche Produktion  auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten“, erläutert Prof. Dr.  Barbara Sturm, die wissenschaftliche Direktorin des ATB. „Umso mehr  freut es uns, wenn wir mit unserer verfahrenstechnischen Expertise aus  dem Agrarbereich als Potsdamer Forschungsinstitut zum Erhalt der  Potsdamer Parks und Gärten - weltweit geschätzten Kulturgütern -  beitragen können“, hebt Prof. Sturm hervor.

Dem  Projekt „Entwicklung von Methoden zur Tiefeninjektion von künstlicher  Huminstoffe gegen die Folgen des Klimawandels - Rette einen Baum in  Sanssouci“ wird eine Anschubfinanzierung in Höhe von 250.000 Euro zur  Verfügung stehen. Die Förderung erfolgt durch das Ministerium für  Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) des Landes Brandenburg. Die  Koordination hat das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie  e.V. (ATB). Partner im Projekt sind das Max-Planck-Institut für Kolloid-  und Grenzflächenforschung (MPIKG), die Stiftung Preußische Schlösser  und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) und die Freie Universität Berlin  (FUB). Weitere Partner sollen dazukommen.
(Dipl.-Ing. agr. Helene Foltan, ATB)

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