Waldzustandserhebung: Keine Entwarnung für den Wald
Veröffentlicht in Wald · Donnerstag 24 Mär 2022
(24.3.2022) Inventurteams der Bundesländer bewerten den Kronenzustand deutscher Wälder in jährlichen Stichprobenerhebungen – Kronenverlichtungen waren auch 2021 hoch, Fichte und Kiefer besonders betroffen – Das Thünen-Institut für Waldökosysteme berechnet aus den bereitgestellten Rohdaten die bundesweiten Ergebnisse der Waldzustandserhebung.
Wie geht es dem deutschen Wald? Seit den 1980er Jahren wird diese Frage regelmäßig im Waldzustandsbericht der Bundesregierung sowie der Länder thematisiert. Die Bewertung des Belaubungszustandes ist dabei ein wichtiger Indikator. Die Kronenverlichtung – das ist die Abweichung der begutachteten Bäume von einem voll benadelten bzw. voll belaubten gesunden Baum – schätzen die Inventurteams in 5-Prozent-Stufen. Die Ergebnisse werden für die Bewertung zusammengefasst in „ohne“, schwache und deutliche Kronenverlichtungen. Ab 25 % spricht man von deutlicher Kronenverlichtung.
Mit dem Fernglas studieren die Inventurteams die Baumkronen auf ihre Transparenz und auf Schäden.
Foto: Petra Dühnelt, Thünen-Institut
Foto: Petra Dühnelt, Thünen-Institut
Die drei Rekordtrocken- und Hitzejahre 2018-2020 haben gezeigt, dass der Klimawandel endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen ist. Dies hatte im Jahr 2020 auch zu bisherigen Höchstständen bei der Kronenverlichtung und Baummortalität geführt.
Für das Jahr 2021 ist der Anteil der Bäume mit deutlichen Kronenverlichtungen gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen, aber immer noch hoch: 35 % zeigten deutliche Verlichtungen (2020: 37 %). Auch die über 60 Jahre alten Bäume, bei denen Schäden besonders deutlich werden, weisen eine leichte Verbesserung auf: 42 % haben deutliche Verlichtungen gegenüber 45 % im Jahr 2020. Auch die mittlere Kronenverlichtung aller Bäume hatte 2019 nach dem ersten Trockenjahr einen deutlichen Sprung auf 25,1 % gemacht (nach 22,0 % in 2018) und verbleibt auch 2021 mit 25,7 % auf gleichem Niveau.
Laub- und Nadelbäume unterschiedlich betroffen
Bei den Laubbäumen nimmt die mittlere Kronenverlichtung bereits seit Jahren zu. Dies war in früheren Jahren vor allem auf den Zustand der Eiche zurückzuführen. Seit 2019 ist aber auch die Buche stark betroffen. Nach dem Rekordjahr 2020 nahm die mittlere Kronenverlichtung 2021 wieder ab (45 % nach 55 % in 2020). Allerdings kam es 2021 nur geringfügig zu Fruchtbildung. Normalerweise führt eine geringe Fruktifikation zu einer deutlichen Verbesserung des Kronenzustands. Dies war 2021 nicht der Fall. Vermutlich benötigt die Buche länger zur Erholung nach den Hitze- und Trockenjahren.
Auch die Nadelbäume zeigen, anders als bisher, seit 2018 einen deutlichen Anstieg der mittleren Kronenverlichtung. Insbesondere die Fichte erreichte 2021 ein Maximum von 29,8 % und somit den höchsten Wert seit Beginn des Monitorings 1984. Aber auch die Kiefer legte deutlich zu und erreichte mit 22,9 % einen unrühmlichen Rekordwert.
Neben der Kronenverlichtung ist auch die Mortalitätsrate weiterhin hoch. Insgesamt ist sie nach dem Rekordwert von 1,7 % im Jahr 2020 zwar wieder auf 1,2 % gesunken, stieg aber für Buche und Eiche weiter an.
Blick in die Kronen von Laubbäumen nach Sturmereignis. Die Verlichtungen im oberen Kronenbereich der noch stehenden Bäume sind deutlich zu erkennen. Foto: Petra Dühnelt, Thünen-Institut
Fichten reagieren deutlich auf den durch die drei Trockenjahre 2018-2020 hervorgerufenen Wassermangel im Boden. Im Jahr 2019 sind erstmals flächenhaft Bestände abgestorben. Der Borkenkäfer hat die vorgeschädigten Fichtenbestände besonders stark befallen. Aber auch die Buche, die bisher weniger auffällig war, ist von Hitze- und Trockenstress gezeichnet. Bei der Eiche nimmt der Schädlingsbefall wieder zu. Sogar die Kiefer weist seit 2019 einen zunehmend höheren Anteil an Schäden auf.
Notwendig: Mehr Klimaschutz und weniger Stickstoffeinträge
Einfache technische Lösungen zur Verbesserung des Waldzustands, wie sie in den 1980iger Jahren etwa durch Luftfiltertechnik und Waldkalkung praktiziert wurden, werden nicht möglich sein. Klimaschutz und die Minderung von Stickstoffeinträgen aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft sind ebenso notwendig wie Waldanpassung durch die Umgestaltung unserer Wälder.
"Trotz günstiger Witterung in 2021 ist die Entwicklung des Waldzustands im Jahr 2022 ungewiss", sagt Dr. Nicole Wellbrock, Koordinatorin der Waldzustandserhebung am Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde. "Der Bodenwasserspeicher hat sich auch 2021 in einigen Regionen Deutschlands nicht vollständig aufgefüllt." Insbesondere durch weitere Schadholzmengen infolge der Winterstürme im Februar 2022 ist zu vermuten, dass keine Verbesserung beim Schaderregerbefall, besonders durch Borkenkäfer, zu erwarten ist. Durch die großen Schadflächen werden die Ökosystemfunktionen des Waldes nachhaltig gemindert.
Methodik
Um den Waldzustand in ganz Deutschland zu erfassen, unterziehen geschulte Teams der Bundesländer die Baumkronen jedes Jahr im Juli und August einer genauen Betrachtung. Auf einem systematischen Stichprobennetz von 16 x 16 Kilometern erheben die Inventurtrupps Daten zum Waldzustand. Das Thünen-Institut für Waldökosysteme prüft die bereitgestellten Rohdaten und berechnet daraus die bundesweiten Ergebnisse.
(IDW, Thünen-Insitut)
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