Stadtbäume als multifunktionale Klima-Verbesserer
Veröffentlicht in Stadtgrün · Montag 27 Jun 2022
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(27.6.2022) Die positive Wirkung von Bäumen auf das Klima in der Stadt setzt sich aus vielen Aspekten zusammen. Damit befasst sich an der technischen Universität Dresden intensiv der Diplom-Geo-Ökologe und Professor für Meteorologie Matthias Mauder.
Unter Mitwirkung von Dr. Astrid Ziemann und Dr. Valeri Goldberg bearbeitet er das Projekt ‚HeatResilientCity‘ (HRC), das gerade Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Forschung 2022 wurde. Wie komplex das Thema Stadtgrün ist, erläutert Professor Mauder für den Bund deutscher Baumschulen (BdB) im Interview.
Wie hoch ist der Abkühlungsfaktor in verdichteten urbanen Räumen, wenn Bäume gepflanzt werden?
Der maximale Abkühlungseffekt ist abhängig von Ausdehnung und Dichte des Stadtgrüns, insbesondere von der Grünvolumendichte und der Flächengröße des urbanen Baumbestandes. Die Grafik zeigt, dass die Temperaturabsenlung (K) sich erhöht mit wachsender Größe der Grünfläche und der Grünvolumendichte. So ist an einem wolkenlosen Nachmittag im Sommer eine Abkühlung von mehr als 7 Grad Celsius möglich.
Wie alt oder groß müssen Bäume sein, um einen relevanten Abkühlungsfaktor zu erzeugen?
Hier ist zu unterscheiden zwischen Lufttemperatur und thermischem Index, z.B. UNIVERSAL THERMAL CLIMATE INDEX (UTCI), das ist eine Art gefühlte Temperatur. Unsere Untersuchungen zeigen einen bis zu 12 Grad geringeren UTCI tagsüber an einem Sommertag mit maximaler Strahlung im Baumschatten eines großkronigen Baumes. Das heißt eine Endhöhe von rund 20 Metern mit einer Kronenbreite von rund 10 Metern. Spezielle Baumarten haben wir noch nicht untersucht, es muss auch die Abhängigkeit von individuellen Standortbedingungen beachtet werden. Daher ist es für das Stadtklima sehr förderlich, besonders großkronige Bäume in der Stadt zu erhalten! Und bis zur vollen Klima-Wirksamkeit dauert es etwa 20 Jahre nach der Pflanzung.
Welche Faktoren sind auch wichtig, damit Bäume wirkungsvoll das Klima verbessern?
Neben der Anpassung an den jeweiligen Standort, der Stressresistenz und der Abkühlungswirkung sind bei der Auswahl der Baum-Arten auch Effekte auf die urbane Luftqualität zu beachten. Denn hinsichtlich der Emission von biogenen VOC (Volatile Organic Compounds) kann es sehr große Unterschiede geben. Die VOC sind entscheidende Vorläufersubstanzen für Sommer-Smog, also schädliche organische Kohlenwasserstoffe, die zusammen mit Stickoxiden zur Ozon-Belastung führen können.
Wieviel Grad Abkühlung bringt eine Straße mit dreißig Bäumen?
Sie bringt, je nach Baumart, durchschnittlich ebenfalls tagsüber eine maximale Verringerung der gefühlten Temperatur um 12 Grad, das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Die Wirkung wird obendrein gegenüber dem Einzelbaum in der Fläche vergrößert. Fußgänger erfahren dadurch eine angenehm geringere Hitze-Dosis-Wirkung, Häuser werden beschattet. So kann bei nicht sanierten Gebäuden der Effekt durch die Beschattung von Stadtbäumen auf das Klima in Innenräumen bis zu 3 Grad betragen. Für Alleebäume, die noch weit entfernt von einem vollständigen Kronenschluss sind, wurden beispielsweise in München Abkühlungseffekte von 3.5 Grad in einem Baumbestand von Linden (Tilia cordata) gemessen und ein Effekt von bis 0.8 Grad auf die umgebende Lufttemperatur.
Wie groß ist der Abkühlungsfaktor bei Fassaden- bzw. Dachbegrünung?
Die Wirkung von Dachbegrünung auf das Außenklima auf Fußgängerniveau hängt von der Dachhöhe ab und ist nach unseren bisherigen Ergebnissen zu vernachlässigen. Doch die Auswirkungen auf die lokale Regenrückhaltung und die Biodiversität sowie den subjektiven Erholungseffekt sollten einbezogen werden. Allerdings ist der Abkühlungseffekt von Dach/Fassadengrün auf den Fußgängerraum tagsüber gegenüber Bäumen signifikant niedriger.
Wie wirkungsvoll speichern Stadtbäume den schädlichen Kohlenstoff?
Zunächst sind Bäume generell und demnach auch Stadtbäume ein wichtiger CO2-Speicher, den es zu schützen gilt. Dieser Effekt ist aber im Vergleich zur gesamten Kohlenstoffbilanz einer Stadt oder eines Landes gering. Daher ist der Effekt üblicherweise ein eher untergeordneter Grund für den Einsatz von Stadtbäumen. Andere Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen können – bei gleichem finanziellen Einsatz – eine deutlich stärkere Wirkung haben: durch Reduktion der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle. Darauf sollte also unbedingt weiter hingewirkt werden.
Welche Funktionen haben einzelne Bäume, aber auch kleine Parks, als „Wohlfühlfaktor“?
Die direkte Schattenwirkung eines Baumes auf das persönliche Wohlbefinden ist besonders hervorzuheben. Was die Wasserspeicherung im Boden betrifft, kann der Effekt von Bäumen gerade in Trockenperioden auch negativ sein, da Bäume dann häufig mehr Wasser verdunsten als eine andere Grünfläche. Dafür bekommen die Menschen in der Stadt den positiven Effekt der Verdunstungskühlung und die Beschattung zurück. Eine wichtige Ökosystemdienstleistung, die auch großen positiven Effekt auf die Biodiversität hat. Zur Stärkung kann künstliche Bewässerung notwendig sein, wenn Bäume in stark versiegelten Flächen eingesetzt werden. Eine teilweise Entsiegelung der städtischen Infrastruktur käme daher Bäumen wie Menschen zugute. Selbstverständlich sind die genannten positiven Wirkungen von Stadtbäumen in Summe zu betrachten, um den Einsatz von Stadtbäumen zu begründen und zu fördern. Leider wird von Stadtverwaltungen und Planern oft der hohe Aufwand für die Pflege dagegen ins Feld geführt, daher sei es billiger und einfacher, auf Stadtbäume zu verzichten. Gerade deshalb halte ich es für sehr wichtig, den Wert von Stadtbäumen für die Menschen in der Stadt herauszustellen. Zudem hat Stadtgrün nachgewiesenermaßen auch ausgesprochen positive Wirkungen auf die menschliche Psyche.
(BdB)