Mähroboter sind eine große und wachsende Gefahr für Igel
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(15.6.223) Am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) werden Fälle von Schnittverletzungen an Igeln wissenschaftlich dokumentiert, die von automatisierten Rasenmähern verursacht wurden. Die Daten zeigen ein ernstes Problem für diese besonders geschützte Tierart auf, denn die Zahl der Schnittverletzungen mit gravierenden bis tödlichen Folgen ist hoch und steigt zudem seit Beginn des Frühjahrs erheblich an. Technische Lösungen für Mähroboter, die Kleintiere wie Igel zuverlässig erkennen, sind noch nicht marktreif. Igel-Auffangstationen sind mit der Zahl und Schwere der Verletzungen überfordert, sodass politisches Handeln dringend erforderlich sei, so die Forschenden.
Das Leibniz-IZW ↗ sammelt und dokumentiert über eine geschlossene Facebook-Seite seit September 2022 Funde von Igeln mit Schnittverletzungen↗, die eindeutig auf Mähroboter zurückzuführen sind. Seit Beginn der Datensammlung durch Freiwillige von Igelauffangstationen sind auf der Plattform mehrere Hundert dieser Fälle belegt. „Wir gehen zudem von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, da viele Tiere erst gar nicht gefunden bzw. gemeldet werden“, sagt Dr. Anne Berger vom Leibniz-IZW, die die Sammlung der Fälle wissenschaftlich begleitet. „Zudem berichten die Igelstationen, dass seit diesem Frühjahr ein Anstieg der Fälle um 30 bis 50 Prozent zu verzeichnen ist. Dies steht mutmaßlich mit den jährlich um 12 Prozent steigenden Absatzzahlen von Mährobotern in Zusammenhang.“
Wissenschaftliche Untersuchungen wie von Rasmussen et al. 2021 ↗ zeigen, dass entgegen der Angaben vieler Hersteller Mähroboter kleine Tiere wie Igel nicht erkennen können und meist gravierende Verletzungen verursachen. Die Geräte werden nicht selten nachts und unbeaufsichtigt eingesetzt. „Für Igel ist diese Konstellation fatal, denn sie suchen nachts nach Nahrung, flüchten nicht, sondern rollen sich zusammen und warten so Gefahren ab“, erklärt Berger. „Werden Sie von den Robotern überrollt und verletzt, suchen sie – so sie es noch können – lautlos Schutz in Hecken und Büschen, um nicht anderen Raubtieren aufzufallen, für die sie dann leichte Beute wären. Aber auch leichte Schnittverletzungen an Körperstellen, an denen das Tier sich nicht lecken kann, etwa im oberen Kopf- oder Rückenbereich, können später zu schweren Entzündungen oder zur Ablage von Fliegeneiern in den Wunden und somit – wenn unbehandelt – auch zum Tod führen.“ Die Bestände des Igels sind rückläufig, erst im Jahr 2020 wurde der Igel auf die Vorwarnliste der Bundesdeutschen Roten Liste gesetzt. Mähroboter verbreitern das Gefahrenspektrum für diesen Kleinsäuger um ein weiteres Risiko.
An technischen Lösungen für ungefährlichere Mähroboter werde gearbeitet, man sei davon aber noch ein gutes Stück weit entfernt, so Berger. Die Last trügen derzeit die vielen ehrenamtlich arbeitenden Igelstationen, die verletzt aufgefundene Igel versorgen und pflegen. „Die Verletzungen haben in den letzten Monaten ein Ausmaß angenommen, das viele Stationen physisch, psychisch und finanziell überfordert. Nicht wenige stehen kurz vor der Aufgabe, wenn nicht von politischer Seite Unterstützung kommt.“ Diese Unterstützung könne beispielsweise eine staatliche Übernahme der Tierarztkosten sein, oder ein Verbot des Betriebs von Mährobotern während der Nachtstunden in der Bundesartenschutzverordnung. Zudem müsse die Problematik nachhaltig in Politik und Gesellschaft kommuniziert und Aufklärungsarbeit geleistet werden. Zu diesem Zweck hat sich im Mai 2023 die „Igel-Initiative BRD“, ein Zusammenschluss aus Igel-Expert*innen aus Praxis und Forschung gegründet, in der auch das Leibniz-IZW vertreten ist.
(IZW)