Gesundheitlicher Nutzen von Wäldern und Bäumen untermauert
Waldpflanzen mit pharmakologischer Bedeutung finden sich in allen Wäldern und sind Bestandteil gesunder Ernährung bzw. nachhaltiger Gesundheitsvorsorge. So zählt z. B. Bärlauch bzw. wilder Knoblauch zu den Heilpflanzen. Foto: Pixabay
(25.3.2023) Ein internationales und interdisziplinäres Team von Forscher*innen hat die wissenschaftliche Datenlage zu den vielfältigen gesundheitsfördernden Wirkungen von Wäldern, Bäumen und Grünflächen weltweit bewertet. Das Ergebnis liegt nun in einem umfassenden Bericht vor. "Forests and Trees for Human Health: Pathways, Impacts, Challenges and Response Options" (Wald, Bäume und menschliche Gesundheit: Prozesse, Wirkungen, Herausforderungen und Handlungsoptionen - Ein globaler Wissenschaftsbericht) wurde vom Global Forest Expert Panels (GFEP) Programme der International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) ↗ erarbeitet. Die IUFRO vereint mehr als 15.000 Wissenschaftler*innen in mehr als 630 Mitgliedsorganisationen - hauptsächlich öffentliche Forschungszentren und Universitäten - in 115 Ländern und ist Mitglied des Internationalen Wissenschaftsrats.
Zahlreiche Vorteile für die körperliche, seelische, soziale und spirituelle Gesundheit der Menschen stehen nachgewiesenermaßen mit Wäldern und Grünraum in Zusammenhang, auch, weil sie zu mehr sozialer Interaktion einladen und Orte der Erholung und Entspannung bieten. So präsentiert der Bericht unter anderem Belege für positive Auswirkungen auf die Neuroentwicklung bei Kindern oder die kognitiven Fähigkeiten im Alter, auf Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Depressionen und stressbedingte Störungen. Obwohl sich Gesundheitsvorteile in allen Lebensphasen, beginnend bei der pränatalen Phase, belegen lassen, sind besonders die positiven Auswirkungen auf Kinder hervorzuheben, nicht zuletzt aufgrund der bedeutenden Folgen im späteren Leben.
Vorliegende Erkenntnisse beinhalten, dass nicht weniger als 24 Prozent der weltweiten Todesfälle (und 28 Prozent der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren) auf negative Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung und extreme Wetterereignisse zurückzuführen sind. Eine gesündere Umwelt kann Krankheiten und vorzeitige Todesfälle global verhindern.
Wälder, Bäume und Grünflächen sorgen nicht nur für eine gesündere Umwelt, sondern liefern auch zahlreiche Güter und Dienstleistungen, darunter Medikamente, nahrhafte Lebensmittel und andere Produkte, die die menschliche Gesundheit stärken. Heilpflanzen, die besonders für indigene Völker und lokale Gemeinschaften (IPLCs) wichtig sind, bieten eine medizinische Grundversorgung für 70 Prozent der Weltbevölkerung.
Wälder, Bäume und Grünflächen tragen aber auch dazu bei, die negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. In Städten bieten Grünflächen und Bäume erhebliche Kühleffekte. Das ist umso bedeutsamer, als die Häufigkeit von Hitzewellen zunimmt, die das Risiko von Hitzestress und Schlaganfall stark erhöhen.
Der Central Park in New York bietet Oasen der Ruhe inmitten des Großstadttrubels. Foto: Pixabay
Die einem Peer-Review-Prozess unterzogene Studie wurde vom Global Forest Expert Panel (GFEP) on Forests and Human Health im Rahmen der IUFRO-geführten Joint Initiative der Collaborative Partnership on Forests (CPF) durchgeführt. Insgesamt 44 Wissenschaftlerinnen und Expert*innen haben zu dieser Bewertung beigetragen. Das Kerngremium zählt 16 Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Fachbereiche: Forstwirtschaft, Ökologie, Landschaftsgestaltung, Psychologie, Medizin, Epidemiologie und öffentliche Gesundheit. Die Autor*innen und Begutachter*innen kommen aus verschiedensten Teilen der Welt und repräsentieren unterschiedliche Geschlechter.
Die Wissenschaftler*innen untersuchten Wälder, Bäume außerhalb von Wäldern und Grünflächen in verschiedenen Kontexten, wobei der Schwerpunkt auf städtischen, ländlichen sowie von Wald abhängigen Bevölkerungsgruppen lag. Der Begriff der menschlichen Gesundheit wurde sehr umfassend analysiert, einschließlich aller Aspekte der körperlichen, seelischen, spirituellen und sozialen Gesundheit und des Wohlbefindens, wobei auch die Verbindungen zur Gesundheit anderer Lebewesen und Ökosysteme berücksichtigt wurden.
„Unser Bericht nimmt eine One-Health-Perspektive ein, die anerkennt, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und der weiteren Umwelt eng miteinander verbunden und voneinander abhängig ist. Wir empfehlen den Entscheidungsträger*innen in den Bereichen Wald, Gesundheit und verwandten Feldern, die Beziehungen zwischen Wald und Mensch ebenfalls integrativer zu verstehen. Durch die Verknüpfung von wald- und gesundheitspolitischen Maßnahmen und Strategien können neue innovative Antworten auf die Herausforderungen für die Gesundheit und den Wald gefunden werden", sagt der Vorsitzende des Gremiums Cecil Konijnendijk von der University of British Columbia in Kanada.
Der Bericht unterstreicht die wichtigen Beiträge von Wäldern und Bäumen zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und deren Zielen (Sustainable Development Goals/ SDGs). Besonders im Fokus ist SDG3, „ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und das Wohlergehen zu fördern".
Während die meisten gesundheitlichen Auswirkungen von Wäldern, Bäumen und Grünflächen positiv sind, gibt es auch einige negative Effekte, die berücksichtigt und gemildert werden müssen. Die menschliche Gesundheit kann beispielsweise durch Allergien, von Tieren übertragene Krankheiten oder eine verminderte Luftqualität durch Waldbrände beeinträchtigt werden. Da Wälder auf der ganzen Welt zunehmend durch Entwaldung, Verstädterung, Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt und andere negative Trends bedroht sind, ist auch ihre Rolle als „Sicherheitsnetz" für die Ernährung und den Lebensunterhalt gefährdeter Bevölkerungsgruppen stärker unter Druck geraten.
Diese negativen Auswirkungen sind allerdings meist auf ein gestörtes Verhältnis von Mensch und Natur oder auf Faktoren wie mangelhafte Walderhaltung und -bewirtschaftung oder falsche Baumartenauswahl in bewohnten Gebieten zurückzuführen. Entscheidungsträger*innen sollten daher die positiven gesundheitlichen Auswirkungen von Wäldern und Bäumen fördern und verbessern sowie gleichzeitig potenzielle negative Auswirkungen insbesondere auf gefährdete Bevölkerungsgruppen minimieren.
So gilt es zum Beispiel bei der Bekämpfung der Malaria, deren Überträgermücken im Wald leben, nicht, den Lebensraum der Mücken zu verkleinern - die Entwaldung fördert eher die Malariaausbreitung -, sondern vielmehr in nachhaltige Waldbewirtschaftung und Stadtentwicklung zu investieren.
Ein weiteres Missverständnis liegt auch vor, wenn man städtische Grünflächen und Bäume für verstärkte Pollenallergien verantwortlich macht. Die allgemeine Zunahme an Allergien betrifft vornehmlich reichere Länder und ist hauptsächlich das Ergebnis eines naturfernen und ungesunden Lebensstils, verstärkt durch den Klimawandel, der unter anderem durch höhere Temperaturen die Pollensaison verlängert.
Waldbrände bedrohen Wälder, Artenviefalt und Menschen. Sie tragen u.a. zu Atemwegserkrankungen bei. Foto: Pixabay
Da die Beschleunigung negativer globaler Trends und Herausforderungen wie Klimawandel und Pandemien die Bedeutung der Beziehungen zwischen Wald und menschlicher Gesundheit verändert und verstärkt, besteht dringender Handlungsbedarf. Klimawandel, Verstädterung und ein von der Natur abgekoppelter Lebensstil gehören zu den Hauptursachen für viele der gesundheitlichen Herausforderungen, mit denen Gesellschaften auf der ganzen Welt heute konfrontiert sind, darunter Unterernährung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Probleme. Umwelt- und Klimastörungen haben auch zu einem Anstieg lebensbedrohlicher Krankheiten wie Ebola oder Vogelgrippe geführt. Schätzungen zufolge hat die veränderte Landnutzung seit 1960 zum Auftreten von mehr als 30 Prozent der neuen Krankheiten geführt.
Diese Trends gefährden nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern auch die der Wälder und Bäume, da sie zu den treibenden Kräften hinter Waldbränden, schweren Stürmen und Waldschädlingen gehören. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Rolle der Natur für den Nutzen des Menschen besser zu verstehen, und folglich auch die Rolle, die die fortschreitende Naturzerstörung bei der Zunahme von Gesundheitsrisiken spielt.
(IUFRO)
Weitere Informationen
FORESTS AND TREES FOR HUMAN HEALTH: PATHWAYS, IMPACTS, CHALLENGES AND RESPONSE OPTIONS. A Global Assessment Report, IUFRO World Series Volume 41, Wien 2023 ↗
Herausgeber*innen: Cecil Konijnendijk, Dikshya Devkota, Stephanie Mansourian und Christoph Wildburger
Über IUFRO
IUFRO, die International Union of Forest Research Organizations ↗, ist eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Wien, die sich der Zusammenarbeit in der Waldforschung und in verwandten Wissenschaften widmet. IUFRO wurde 1892 von den forstlichen Versuchsanstalten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in Eberswalde bei Berlin gegründet und zählt mittlerweile 630 Mitgliedsorganisationen wie Universitäten und Forschungszentren in 115 Ländern. IUFRO verbindet über 15.000 Wissenschaftler*innen und andere Akteur*innen mit dem Fokus auf Wälder, Bäume und Forstprodukte und will mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele leisten. Der 26. IUFRO Weltkongress ↗( https://iufro2024.com/ ) findet im Juni 2024 in Stockholm statt.
Über GFEP
Das von IUFRO geleitete Global Forest Expert Panels (GFEP ↗)-Programm erstellt objektive und unabhängige wissenschaftliche Studien zu weltweit bedeutsamen Schlüsselfragen im Bereich Wald und Waldpolitik. Seit 2007 hat GFEP unter anderem acht globale Studien vorgelegt, die sich mit Themen wie Wald und Klimawandel, Wald und Wasser, Wald und Ernährungssicherheit oder Wald und Artenvielfalt beschäftigen. Im Jahr 2019 ging IUFRO mit dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine Partnerschaft ein, deren Fokus die Unterstützung der Arbeit des GFEP-Programms ist.