Fossil des Jahres 2023
(28.1.2023) Das Fossil des Jahres 2023 sind genau genommen zwei Fossilien, die jedoch zu ein und demselben Organismus gehören. Es handelt sich um die fossile Pflanze Medullosa stellata mit ansitzenden Wedeln des Typs Alethopteris schneideri. Sie gehört zur heute ausgestorbenen Gruppe der Farnsamer und gedieh in saisonal trockenen Feuchtwäldern der Paläotropen im frühen Perm vor ca. 290 Mio. Jahren.
Seit 2008 vergibt die Paläontologische Gesellschaft ↗ den Titel ‚Fossil des Jahres‘ an besonders herausragende Fossilien. In diesem Jahr sind es genau genommen zwei Fossilien, die jedoch zu ein und demselben Organismus gehören. Es handelt sich um die fossile Pflanze Medullosa stellata mit ansitzenden Wedeln des Typs Alethopteris schneideri. Sie gehört zur heute ausgestorbenen Gruppe der Farnsamer und gedieh in saisonal trockenen Feuchtwäldern der Paläotropen im frühen Perm vor ca. 290 Mio. Jahren. Medullosa stellata wurde erstmals durch Bernhard von Cotta im Jahr 1832 beschrieben, doch bis heute weiß man verhältnismäßig wenig über diese mit heutigen Pflanzen kaum vergleichbare Gruppe von altertümlichen Samenpflanzen. Die Medullosen ähneln in ihrer Wuchsform und Belaubung heutigen Baumfarnen. Mit Farnen sind sie aber kaum verwandt, da sie sich nicht durch Sporen, sondern durch Samen vermehrten. Am nächsten sind sie vermutlich mit den Cycadeen (ugs. Palmfarnen) verwandt, von denen es auch heute noch lebende Vertreter gibt.
Fossil des Jahres 2023: Pflanzenfossil Medullosa stellata mit Alethopteris schneideri aus dem frühen Perm. Foto: Ludwig Luthardt
Die Medullosen waren im Karbon Teil der kohlebildenden Moorwald-Vegetation. Im späten Karbon verschwanden diese Moorwälder als Folge eines globalen Klimawandels, der zur schrittweisen Aridisierung in den tropischen und subtropischen Ökosystemen führte. Einige der Medullosen schafften es jedoch, sich an das saisonal trockene Klima anzupassen und bildeten eine diverse Pflanzengruppe in den Wäldern des frühen Perms Mitteleuropas. Davon zeugen zahlreiche Fossilien ihrer Blätter in Abdruckerhaltung, die in den Rotliegend-Becken Mitteleuropas gefunden werden. Wie diese Pflanzen aussahen, lässt sich anhand des Laubes allein jedoch nicht rekonstruieren. Die vollständige Erhaltung fossiler Pflanzen findet nur unter sehr besonderen Einbettungsbedingungen statt, wie im Versteinerten Wald von Chemnitz. Dort wurde ein ganzer Wald in kürzester Zeit nahezu vollständig unter vulkanischer Asche in Folge eines nahegelegenen Vulkanausbruchs an Ort und Stelle begraben. Der schweren Auflast durch die herab regnende Asche war eine Medullosa-Krone nicht gewachsen, sodass sie abbrach und kopfüber in die sich auftürmenden Ascheschichten fiel. Ein Glücksfall für die Paläontolog*innen der Museen für Naturkunde Chemnitz und Berlin, sowie der TU Bergakademie Freiberg, die diese Krone 291 Mio. Jahre später ausgruben und wissenschaftlich beschreiben konnten. Am oberen Stamm dieser Medullosa stellata saßen noch zehn über drei Meter lange Gabelwedel mit Alethopteris schneideri-Laub an, die die enorme Blattmasse dieser Pflanze belegen. Anhand dieses Fossils kann nun erstmals die Wuchsform einer Medullosa-Pflanze des frühen Perms rekonstruiert werden. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern aus dem Karbon hatten sie teils mächtige, verholzte Stämme und konnten bis zu zehn Meter hochwachsen. Sie gediehen auf mineralischen Böden an Feuchtstandorten, im Schatten der großen Cordaitenbäume. Ihre riesigen Wedel waren optimiert, um erfolgreich mit anderen Pflanzen im Unterbau des Waldes um das wenige Sonnenlicht zu konkurrieren. Die Anatomie der Leitbahnen im Holz lässt vermuten, dass Medullosa stellata große Mengen Wasser aufnehmen und verdunsten konnte. Die Medullosen trugen daher vermutlich wesentlich zum feuchten Mikroklima in den Wäldern des frühen Perms bei. Die zunehmende Austrocknung des Superkontinents Pangäa im mittleren und oberen Perm führte zum Verlust der Feuchthabitate von Medullosa, sodass sie am Ende des Perms vermutlich ausstarb. Ihre fossilen Relikte können heute in den Ausstellungen des Museums für Naturkunde Chemnitz und dem Naturhistorischen Museum Schloss Bertholdsburg in Schleusingen bewundert werden.
(Tamara Fahry-Seelig, DVGeo)