Invasive Palmen im Tessin - Bäume

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Die Tessinerpalme - eine unbequeme Schönheit unter der Lupe
Die Chinesische Hanfpalme ist ein beliebtes Postkartensujet, hier an der Seepromenade von Ascona. Foto: Gottardo Pestalozzi, WSL
Die Chinesische Hanfpalme ist ein beliebtes Postkartensujet, hier an der Seepromenade von Ascona. Foto: Gottardo Pestalozzi, WSL
(15.3.2023) Während die Laubbäume Winterpause machten, hat die Chinesische Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) ihre Photosynthese- und Entwicklungsaktivität fortgesetzt. Dank dieses Wettbewerbsvorteils breitet sich das aus Asien stammende Immergrün in den tiefen Lagen der Südschweiz massiv aus. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL hat die Folgen dieser Invasion untersucht und schlägt gleichzeitig Maßnahmen zur Eindämmung vor.

Angesichts der Ausbreitung der Chinesischen Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) wähnt man sich heute in siedlungsnahen Tessiner Wäldern beinahe in den Tropen. Die Palmen, die in den letzten 50 Jahren in Gärten gepflanzt wurden, haben sich stark vermehrt und verdrängen mancherorts einheimische Pflanzenarten. WSL-Forschende haben nun im Rahmen des Pilotprogramms des Bundes «Anpassungen an den Klimawandel» ↗ untersucht, wie der Klimawandel diesen Prozess beeinflusst und welche Auswirkungen dies für die betroffenen Wälder haben könnte. Der Schlussbericht des Gesamtprogramms erscheint im Mai 2023, über die Ergebnisse zur Hanfpalme dürfen wir hier vorab berichten.

Die Hanfpalme verändert den Wald und seine Funktionen

Das Forschungsteam untersuchte die Flora und Fauna auf je zehn Waldstandorten mit hoher Palmendichte oder ganz ohne Palmen. Die palmenreichen Standorte enthielten zwar nicht weniger wirbellose Tiere, aber deutlich weniger Pflanzenarten. Hanfpalmen schwächen auch die Schutzfunktion von Wäldern vor Naturgefahren: Ihr Wurzelsystem verstärkt den Boden nur wenig, ein reiner Palmenbestand wäre also ungünstig als Schutzwald. Das fällt in gemischten Wäldern wenig ins Gewicht, und an steilen, felsigen Standorten, wo kaum andere Bäume wachsen, kann sie sogar vor Steinschlag schützen. Da sich an den Hanfpalmen viele trockene, abgestorbene Blätter ansammeln, erachten die Forscher hingegen eine erhöhte Waldbrandgefahr als wahrscheinlich.

Ursprünglich als Zierpflanze eingeführt, kolonisiert die Hanfpalme heute viele siedlungsnahe Wälder. Foto: Martino Crivelli, WSL
Ursprünglich als Zierpflanze eingeführt, kolonisiert die Hanfpalme heute viele siedlungsnahe Wälder. Foto: Martino Crivelli, WSL


Die Verbreitung konzentriert sich auf siedlungsnahe Gebiete


Gegenwärtig ist die Chinesische Hanfpalme auf die Wälder der tieferen Lagen beschränkt (< 900 m ü. M.). Sie wird in Zukunft aber auch etwas höhere Lagen besiedeln können, wenn es im Zuge des Klimawandels dort wärmer wird. Die WSL-Forschenden gehen davon aus, dass sich die Palme in Siedlungsnähe weiter stark ausbreiten wird. In siedlungsfernen Wäldern hingegen erwarten sie nur eine langsame Ausbreitung. Da die Samenproduktion der Hanfpalme in schattigen Wäldern eingeschränkt ist, sind dort ausgedehnte und dichte Bestände unwahrscheinlich.

Wertschätzung und Eindämmungsbedarf halten sich die Waage

Neben den Untersuchungen in Feld und Labor haben die Forschenden eine schweizweite Umfrage zur Wahrnehmung von Trachycarpus fortunei in der Bevölkerung durchgeführt. Mehr als die Hälfte (58.9%) der 2000 Teilnehmenden schätzen in ihrer Antwort die Hanfpalme positiv ein und sehen sie als ein Tessiner Wahrzeichen (53.9%). Während Kultivierungs- und Verkaufsverbote wenig Zuspruch bekämen, gibt es durchaus Zustimmung für Empfehlungen, die die weitere Ausbreitung der Palme einschränken würden (z.B. Blüten und Früchte entfernen, verwilderte Pflanzen beseitigen, alternative nicht-invasive Palmenarten pflanzen).

Im Winter profitiert die immergrüne Hanfpalme von günstigen Lichtverhältnissen im laubfreien Wald. Foto: Boris Pezzatti, WSL
Im Winter profitiert die immergrüne Hanfpalme von günstigen Lichtverhältnissen im laubfreien Wald. Foto: Boris Pezzatti, WSL

WSL hat Methode für zielgerichtete Bekämpfung entwickelt

Kommunikationsmaßnahmen sensibilisieren die Bevölkerung zwar zu einem fachgerechten Umgang mit der beliebten Zierpflanze. Aber es ist trotzdem unumgänglich, die Palmenbestände in Schranken zu halten, wenn auch ihre komplette Beseitigung aus siedlungsnahen Wäldern unrealistisch ist. Die Forschenden empfehlen, an bestimmten ökologisch wertvollen Standorten (zum Beispiel in Auenwäldern) das lokale Ökosystem wieder komplett palmenfrei zu machen und den Palmenbestand in Schutzwäldern, wo sinnvoll, auszudünnen.

Um verwilderte Hanfpalmen zu beseitigen, hat die WSL eine zeit- und kosteneffiziente Methode entwickelt und getestet: Zum einen lässt ein bodennaher Schnitt mit der Motorsäge adulte Palmen direkt absterben. Das reicht aber nicht bei jungen Palmen, denn diese treiben aus dem noch im Boden verbleibenden Palmenherzen wieder aus. Um dies zu verhindern, sollte das Herz mit einem Bohrer zerstört werden. Der Kanton Tessin empfiehlt die Methode nun offiziell und Fachleute wenden sie an.
(WSL)
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